Das Loslassen ist schon schwierig

von Karl Brodschneider

Bevor Hermann Schützenhöfer am Montag, 4. Juli, als steirischer Landeshauptmann aufhört, führte er mit NEUES LAND noch ein großes Interview.

 

NEUES LAND: Beginnen wir mit der klassischen Einstiegsfrage an jemanden, der aus der Politik ausscheidet. Freuen Sie sich schon auf die Zeit nach dem 4. Juli oder tut das Loslassen weh?

Hermann Schützenhöfer: Das Loslassen ist in der Tat schwierig. Ich habe ja auch gesagt, ich gehe schweren Herzens, aber ich gehe guten Gewissens, den richtigen Nachfolger zu haben. Ab 5. Juli ist die Welt für mich dann eine andere. Ich hoffe, der Herrgott lässt es zu, dass ich abschalten kann. Das habe ich bisher nie zustande gebracht. Das ist das Wichtigste, denn wenn ein Motor immer auf Hochtouren läuft, dann ist das natürlich für den Körper nicht gut.

 

NL: Wann ist der Gedanke ans Aufhören konkret geworden? Gab es dafür einen bestimmten Anlass?

Schützenhöfer: Ich habe mir fix vorgenommen, dass ich selbst den Zeitpunkt bestimmen möchte. Wenn man sich die Reihe der steirischen Landeshauptmänner seit dem Zweiten Weltkrieg anschaut, dann sieht man Folgendes. Einer wurde krank, der andere ist gestorben, die anderen sind innerparteilich ins Strudeln gekommen oder haben am Wahlabend zurückgelegt. Das wollte ich nicht. Ich wollte, da ich nun einen Nachfolger aufgebaut habe, nicht frühzeitig, aber rechtzeitig meinen Abschied nehmen. Die Entscheidung ist seit gut einem Jahr festgestanden, dass das in der letzten Sitzung vor der Ferienzeit 2022 sein wird. Dann hat der Nachfolger genau die Hälfte der Periode Zeit, sich zu beweisen.

 

NL: Ein Amtskollege, Günther Platter, hört heuer auch auf, wird aber bis zur Tiroler Landtagswahl im Herbst Landeshauptmann bleiben. Ist das eine gute Entscheidung und wäre so ein Weg für Sie nicht auch denkbar gewesen?

Schützenhöfer: Nein, das hielte ich für die Steiermark für die schlechteste Entscheidung. Daher haben wir sie nicht gemacht. Tirol muss das selbst wissen. Wenn man ein Zepter übergibt, dann muss man das ganz tun. Dann muss derjenige, der bei der nächsten Wahl der Spitzenkandidat ist, auch Zeit haben, sich den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, sonst könnte es schwierig werden.    

 

Geheimrezept?

NL: Sie waren Ihr Leben lang Politiker und haben die Politik immer in Führungsrollen mitgestaltet. Was war Ihr Rezept, dass man auch schwierige Perioden gut übersteht, die Freude daran nicht verliert und weiter andere Menschen motiviert?

Schützenhöfer: Dafür gibt es kein Rezept. Für mich war es immer die Grundvoraussetzung, dass mein engstes Umfeld, insbesondere die Familie, hinter dem steht, was ich tue. Was macht denn ein Landeshauptmann, der erst drei Tage im Amt angerufen und von einer Amokfahrt informiert wird? Was macht denn ein Landeshauptmann, wenn im Herbst 2015 die Flüchtlingswelle über Spielfeld und Bad Radkersburg ins Land fließt? Da schlottern einem die Knie. Man muss Haltung und Flagge zeigen, auch wenn man innerlich selbst schon schwerstens leidet. Wir haben das geschafft und dann kam die Pandemie und jetzt noch das Ende der Illusion, dass es in Europa keinen Krieg gibt. Meine Hauptsorge ist, wie ich es den Kindern erkläre, dass all das, was sie haben, gefährdet ist, wenn sie sich nicht einmischen und nicht in der Demokratie mitmischen.

 

NL: Sie haben einige Male anklingen lassen, dass Sie vor allem in den letzten Jahren von Menschen schwer angefeindet und hässlich bedroht worden sind. Stimmt das?

Schützenhöfer: Ich bin in der Summe fast 52 Jahre in der Politik und habe in den letzten zwei Jahren so viele Morddrohungen bekommen wie in den ersten 50 Jahren nicht. In der Pandemie habe ich schon im Juni 2020 eine Impfpflicht verlangt. Nicht weil mir sonst nichts eingefallen ist, aber weil mir Direktoren, die KAGES-Vorstände, die Chefs der Ordensspitäler, der Ärztekammerpräsident, die Virologen, die Ärzte gesagt haben, dass nur die Impfung schützt und hilft. Aber damals ist es in dieser Frage unter den Landeshauptleuten 1:8 gestanden und die Bundesregierung wollte gar nichts machen.

Es ist dann nicht im Juni 2020, sondern im November 2021 dazu gekommen. Das war zu spät und ein Bauchfleck der Regierung. Heuer am 5. März hat man alle Maßnahmen zurückgenommen. Das hat zu Brüchen geführt.  Das ist eine Wunde, welche die Bundesregierung jetzt zumacht, indem sie das Impfgesetz abschafft. Das halte ich persönlich für einen Fehler, weil man kann es ja auch auf Eis legen und sagen, man wird das machen, wenn Gefahr in Verzug ist.

 

NL: Ist es angesichts dieser beschriebenen Ist-Situation überhaupt noch leicht, gute junge Menschen für die Politik zu begeistern? 

Schützenhöfer: Sehr schwer! Wir haben in der Steiermark etwa auf der Ebene der Gemeinden das Glück, dass uns die Gemeindestrukturreform jetzt natürlich hilft. Aber es war schwierig und es wird schwer, weil dem einen oder anderen nichts mehr recht ist.

 

NL: Dazu kommt, dass es der ÖVP vor allem auf Bundesebene nicht gut geht. Schafft Bundeskanzler Karl Nehammer mit seinem runderneuerten Team eine Trendumkehr?

Schützenhöfer: Solange wir diesen Untersuchungsausschuss umgehängt haben, werden all die guten und starken Maßnahmen wie jetzt diese Teuerungsabgeltung, die Steuersenkung oder das Familienpaket nicht wirken. 

 

Große Erfolge

NL: Kommen wir zu Ihren Erfolgen als Landeshauptmann und vorher als LH-Stellvertreter beziehungsweise als Landesparteiobmann. In der Reihenfolge der Best Of würde ich vier Punkte nennen. Sie haben den Landeshauptmann zurückerobert. Sie haben es geschafft, die ÖVP nach den schweren Wahlverlusten 2005 zu einen und dass sie nicht auseinandertriftet. Sie haben zusammen mit Franz Voves von der SPÖ im Land eine einzigartige Strukturreform mit dem Riesenprojekt Gemeindefusionen umgesetzt. Und Sie sind Landeshauptmann eines Bundeslandes mit beeindruckenden Daten in der Wirtschaft und Forschung. Deckt sich diese Rangliste mit Ihrer eigenen?

Hermann Schützenhöfer

Zu seinen großen politischen Erfolgen zählt Hermann Schützenhöfer die Rückeroberung des Landeshauptmanns und die große Strukturreform mit dem Schwerpunkt der Gemeindefusionen.

Schützenhöfer: Ja, das deckt sich vollauf! Was mir persönlich noch einfällt für die Zeit insgesamt und worauf ich – ohne überheblich zu sein – ein bisschen stolz bin, ist das Faktum, dass ich 1984 gegen den Widerstand von Freund und Feind den Mindestlohn durch Arbeit gefordert habe. 

 

NL: Was hätten Sie noch gerne umgesetzt?

Schützenhöfer: Wenn ich länger geblieben wäre, hätte ich noch gerne die Spitalsreform begleitet. Da sind wir auf einem guten, aber auch schwierigen Weg. 

 

Der Nachfolger

NL: Eine gute Übergabe des politischen Amtes ist der halbe persönliche Erfolg. Wird Christopher Drexler in die Fußstapfen des volksnahen Hermann Schützenhöfer treten können?

Schützenhöfer: Hoffentlich nicht, weil er wird seine eigenen Spuren ziehen müssen. Das Marschieren in ausgetretenen Pfaden führt zu keinem Erfolg. Christopher Drexler hat alle Chancen. Er ist gescheit. Er ist lernfähig und ein sehr sensibler Mensch. Worauf ich bei meinen Leuten immer sehr geschaut habe, ist, wie er oder sie mit den Kindern umgeht. Mit seinen vier Kindern – den zwei hübschen Töchtern und tollen Söhnen – geht Drexler sehr, sehr gut um und ist als Vater für sie immer da. Und das sagt mehr, als dass man einen Menschen lang beschreiben muss. 

 

NL: Am Schluss einer langen Führungsperiode stehen immer Dankesworte und Wünsche. Wem gelten Ihre Dankesworte besonders?

Schützenhöfer: Ich werde auch am 4. Juli wahrscheinlich keine Namen nennen, weil ich zu viele vergessen würde. Es gibt viele, die ich nennen müsste, aber ohne Franz Wegart gäbe es mich nicht, auch nicht ohne Josef Krainer und Waltraud Klasnic. Von dem abgesehen bin ich meiner Frau Marianne, mit der ich seit 43 Jahren verheiratet bin, zutiefst dankbar, sowie meinem erwachsenen Sohn und seiner Frau und meinen zwei geliebten Enkelkindern und meiner Tochter. In einer solchen Familie erlebt man halt, dass es nicht immer um Soll und Haben, sondern um Sein und Sinn geht. 

 

NL: Und was wünschen Sie Ihren steirischen Landsleuten sowie den steirischen Bäuerinnen und Bauern besonders? 

Schützenhöfer: Ich wünsche den Bäuerinnen und Bauern, dass sie endlich für das, was sie leisten, einen einigermaßen adäquaten Preis bekommen. Ich wünsche mir, dass wir die Klimakrise gut bewältigen, denn sonst wird es für die Urenkeln eng. Und ich wünsche, dass die Menschen im Land erkennen, dass wir in einem previligierten Flecken der Erde leben und arbeiten dürfen. Ich hoffe, die Menschen wissen das. Und ich hoffe, dass wir gesund bleiben. 

 

Zur Person

Ehe Hermann Schützenhöfers Politikerlaufbahn begann, absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Kirchbach. Danach war er JVP-Landessekretär, ÖAAB-Landessekretär, JVP-Landesobmann und AK-Kammerrat. 1981 wurde er Landtagsabgeordneter, 1994 Klubobmann des VP-Landtagsklubs, 1995 Landesobmann des Steirischen ÖAAB. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Landesregierung, 2005 Landeshauptmannstellvertreter. 2006 wurde er ÖVP-Landesparteiobmann, 2015 wurde er Landeshauptmann. Am 4. Juli übergibt er das Zepter des Landeshauptmanns an Christopher Drexler, der seit 3. Juni auch schon interimistischer Landesparteiobmann ist. Hermann Schützenhöfer ist verheiratet, Vater und zwei Kindern und beging heuer Ende Februar seinen 70. Geburtstag.

 

Fotos: Erwin Scheriau 

 

 

 

 

 

 

 

 

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