Die Pest war in der Steiermark in den Jahren 1816 und 1817 endlich erloschen, aber 14 Jahre später trat die Cholera auf. Ein Beitrag von Herbert Blatnik.
Die „neue Pest“! So nannte man die Cholera, als sie sich im Frühsommer 1831 aus Moskau, Warschau und Preußen kommend in die Länder der Habsburger-Monarchie einschlich. Von Wien aus erreichte sie in wenigen Tagen die Oststeiermark, wo in Fürstenfeld 24 Personen erkrankten, von denen 14 verstarben. Was den Ärzten jener Zeit bekannt war: Die hochinfektiöse Cholera beginnt mit heftigem Erbrechen und Durchfall, der gefährliche Flüssigkeitsverlust kann in wenigen Stunden zum Tod führen. Unzureichend behandelt stirbt ungefähr jeder dritte Infizierte.
Die Abwehrreaktionen glichen jenen der Pestzeit. Ein Umlaufschreiben des k. k. Kreisamtes Marburg vom 28. August 1831 sah vor: Neben dem Grenzkordon sind Streifungen in die Wälder zu unternehmen, um umherziehende Vaganten etc. aufzugreifen. In allen Gemeinden sind Pflegestätten mit Betten bereitzustellen – dazu nahm man hauptsächlich verlassene Bauernhäuser. Sollten die Monturen der Verstorbenen weiterverwendet werden, müssen sie zwei Tage lang in einer Chlorlösung und danach für vier Tage in fließendem Wasser liegen. Ist kein Chlor vorhanden, so ist das Gewand mit Feuer zu „vertilgen“.
Auch in Graz grassierte die Cholera, konnte jedoch nach einigen Wochen eingedämmt werden. Aus Dank, dass die Stadt weitgehend verschont wurde, errichteten ihre Bürger gemeinsam mit der Gemeinde Gösting 1833 in unmittelbarer Nähe der heutigen Burgruine Gösting die „Cholerakapelle“.
Aberglaube
Wie zu Pestzeiten kursierten 1831 sinnlose Gerüchte. Diesmal war der Seidenschwanz an der Einschleppung schuld. Dieser Vogel in der Größe eines Stars bewohnt die nördlichen Regionen Europas und ist in Schweden und Norwegen heimisch und mit seinem bunten Gefieder zählt er zu den schönsten Vögeln Europas. Angeblich taucht er als Warnung ein Jahr vor einem Unglück in Schwärmen in unseren Breiten auf. In Österreich nannte man ihn einst „Pestvogel“, in Deutschland „Kriegsvogel“. Tatsächlich erschienen Seidenschwanz-Schwärme 1830 und 1865, in den Jahren darauf brach die Cholera aus. Auch 1847, 1869 und 1913, danach kamen die Revolution, der deutsch-französische Krieg und der Erste Weltkrieg.
Kriegskrankheit
Nach einigen lokalen Cholerafällen kam es in den Jahren 1855 und 1866 zu gefährlicher Ausbreitung mit Tausenden Toten in der kaiserlichen Armee. 1855 wurde die Cholera nach Truppenmärschen eines k. u. k. Bataillons aus dem Küstenland eingeschleppt. Im Jahr 1866 gelangte sie während des österreichisch-preußischen Krieges nach Böhmen, Wien und Niederösterreich und weiter durch zurückgekehrte infizierte Soldaten auch in die Steiermark, wie uns zum Beispiel der Cholerafriedhof von Neudau erinnert. Nach Angaben des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien verstarben 1855 ca. 6.000 österreichische Soldaten an der Cholera, 1866 waren es 3.800.
Cholera Asiatica
Im August 1892 drohte sich eine nach Hamburg eingeschleppte „Cholera Asiatica“ noch einmal großflächig in Europa auszubreiten. Deutsche Schiffe durften danach in amerikanischen Häfen nicht anlegen und mussten für mehrere Tage in Quarantäne gehen. Deutsche Reisende durften in mehreren österreichischen Bahnhöfen nicht aussteigen. Damals machte man sich Sorgen um den Fremdenverkehr, wie im Grazer Tagblatt vom 27. August 1892 zu lesen ist: „Wird die Absperrung der Grenze in strenger Weise durchgeführt, so wird auch unsere herrliche Alpenwelt ihre Anziehungskraft auf unsere Brüder im Reiche einbüßen.“
Einige tausend Cholerafälle, oft in Verbindung mit Typhus, gab es im Ersten Weltkrieg. Steirische Soldaten infizierten sich in Russland und Rumänien, vorwiegend durch verseuchtes Wasser, und brachten die Seuchen in die Heimat beziehungsweise in die Lazarette mit. Allerdings konnte die Sterblichkeitsrate mit Medikamenten deutlich gesenkt werden. Bitter betroffen waren Kriegsgefangene und Zivilisten im Lager Thalerhof. Während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 starben dort 1.767 Personen an Cholera, Typhus und Ruhr.
Von 1918 bis 1920 wütete die Pandemie Spanische Grippe und raffte allein in Europa und in den USA etwa 30 Millionen Menschen dahin. Andere Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Pocken, Diphterie, Kinderlähmung etc. machten unseren Vorfahren schwer zu schaffen. Auch sind Pest und Cholera noch lange nicht besiegt, treten in ärmeren Ländern heute noch vereinzelt auf. Mit Impfungen sowie modernen hygienischen Standards sind wir jedoch den Pandemien nicht mehr ganz schutzlos ausgeliefert.
Beietragsfoto: Brodschneider