Verkostungsleiter Georg Thünauer im Interview über die ungewöhnliche diesjährige Landesprämierung „Saft-Obstwein-Edelbrände“.
NEUES LAND: Die steirischen Obstbauern haben ein schweres bis katastrophales Jahr mit leider nur sehr geringen Ernteerträgen hinter sich. Ist das auch bei der Landesprämierung spürbar geworden?
Georg Thünauer: Ja, aber im positiven Sinne! Die 20 Juroren und Verkoster, aber auch mich selbst hat die Tatsache sehr beeindruckt, dass wir trotz dieser widrigen Umstände nicht nur mit hervorragenden Qualitäten, sondern auch einem viel breiter gewordenen Spektrum an Produkten konfrontiert waren. Und wir sind wahnsinnig überrascht gewesen, dass trotz der geringen Obstmengen, die zur Verfügung standen, sogar etwas mehr Betriebe teilgenommen haben als im Vorjahr.
NL: Worauf führen Sie diese sehr erfreuliche Entwicklung in der Steiermark zurück?
Thünauer: Man hat ganz offensichtlich aus der Not eine Tugend gemacht. Beim Most wurden zum Beispiel aufgrund des Mengenproblems nicht nur die klassischen Sorten verwendet, sondern erstmals auch ganz andere ausprobiert, von denen man bislang immer geglaubt hat, sie seien ungeeignet. Nun weiß man, sie sind sogar sehr gut verwendbar. Auf diese Weise steht plötzlich ein riesiges Sortenspektrum voll mit positiven Überraschungen zur Verfügung. Zusätzlich sind ganz tolle Mischungen entstanden, an die sich bislang noch keiner herangewagt hat.
NL: Können Sie uns zu diesem Thema ein paar Details verraten?
Thünauer: Es gab heuer zum Beispiel eine große Gruppe von Apfelciderprodukten mit verschiedensten, sehr gelungenen Aromatisierungen. Sie bieten zum Teil sehr interessante, neue Perspektiven an. Apfelcider mit Aronia spricht wahrscheinlich eine gesundheitsbewusste Zielgruppe an und liegt damit ganz im Trend. Oder Apfelcider mit Hopfen – die Produzenten nennen es Apfelbier – kann uns die große Chance geben, plötzlich jene Konsumenten zu erreichen, die bislang mit Apfelprodukten nicht viel anfangen konnten.
NL: All das lässt annehmen, dass 2017 als Innovationsjahr in Sachen „Saft-Obstwein-Edelbrände“ in die Geschichte eingehen wird…
Thünauer: Das kann man durchaus so sehen, denn es sind viele neue Kategorien entstanden, die große Potenziale haben, sich gut weiter zu entwickeln.
NL: Sie sind weit über die Grenzen der Steiermark hinaus ein gefragter Verkoster und können damit wohl auch Vergleiche mit anderen Bundesländern ziehen.
Thünauer: Die Steiermark gewinnt sehr oft und hat mittlerweile höchstes Qualitätsniveau erreicht. Wir haben allen Grund, darauf stolz zu sein!
NL: Welche Entwicklungsschritte fehlen uns noch?
Thünauer: Die Erfolgsgeschichte, die beim heimischen Wein bereits vor 30 Jahren begonnen hat, vollzieht sich nun erfreulicher Weise auch in der Obstveredelung. Die Produkte sind absolut hochwertig und in ihrer Qualität einzigartig. Wir brauchen aber für die Spitzenleistungen der Produzenten unbedingt auch die entsprechende Wahrnehmung der Öffentlichkeit – vor allem in der Gastronomie und im Handel. Dort sind diese Botschaften leider noch nicht überall ankommen. Die Obstwirtschaft in unserem Land wird in nächster Zeit auch einiges dazu beitragen müssen, dass sich das möglichst rasch ändert!
Zur Person
Georg Thünauer ist Obstverarbeitungsberater in der Landwirtschaftskammer, gefragter Verkoster und bei der Landesprämierung Verkostungsleiter. Der verheiratete Vater von zwei Töchtern und Absolvent der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) führt in St.Johann im Saggautal eines der ältesten Bio-Weingüter der Steiermark.
Foto: Furgler