Versuche für die Zukunft

von Karl Brodschneider

Die Wissenschaftler und Forscher der HBLFA Raumberg-Gumpenstein beurteilen die absehbaren Auswirkungen des Klimawandels im Alpenraum.

Den Prognosen zufolge wird der Zentralalpenraum künftig besonders stark vom Klimawandel betroffen sein. Johann Gasteiner, Leiter der Forschung und Innovation der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, veranschaulicht das mit zwei Zahlen. In den letzten 70 Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur im Ennstal um zwei Grad gestiegen. Bis 2100 wird sie um weitere drei Grad zunehmen.

Welche konkreten Auswirkungen das haben könnte, beschreiben die wissenschaftlichen Mitarbeiter der bekannten Forschungsanstalt in einer aktuellen Broschüre. „Wir machen Forschung für die Praxis“, betont Gasteiner, „die Ergebnisse aus unseren Versuchen und Projekten müssen zu praxisrelevanten Empfehlungen führen!“

Einzigartige Anlage

Der wissenschaftliche Leiter Erich Pötsch. Foto: Brodschneider

Eine wesentliche Rolle dabei spielt das weltweit einzigartige Freilandexperiment „ClimGrass“. Der wissenschaftliche Leiter Erich Pötsch dazu: „Damit können gut abgesicherte Aussagen hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels im Grünland getroffen werden.“ Unter Mitwirkung zahlreicher in- und ausländischer Experten wurde an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein ein weltweit einzigartiges Freilandexperiment entwickelt. Auf insgesamt 54 Versuchsparzellen können die für 2100 prognostizierten Erhöhungen von Temperatur und Kohlendioxid-Konzentrationen in unterschiedlichen Abstufungen und Kombinationen sowie Trockenperioden simuliert werden.

Die Beheizung der Versuchsparzellen erfolgt mit jeweils sechs Infrarotstrahlern. Über einen zentralen Begasungsring strömt die mit Kohlendioxid angereicherte Umgebungsluft in den Pflanzenbestand. Da jede Parzelle individuell beheizt und begast wird, erfordert das einen enormen Steuerungs- und Regelungsaufwand.

Gumpensteiner Sorten

Fest steht, dass der Klimawandel eine verbesserte Toleranz von Grünlandbeständen gegen Trockenstress und parasitäre Pilze notwendig macht. Zehn Gumpensteiner Sorten, die sich optimal an das Klima und die regionale Bewirtschaftungsintensität anpassen, werden bereits von heimischen Bauern auf einer Fläche von rund 700 Hektar vermehrt. Mit der Neuzüchtung des pilzresistenten Gumpensteiner Rotklees sowie der Züchtung der trockenresistenten Wiesenrispe soll ein wesentlicher Beitrag zur Produktion höchster Grundfutterqualitäten auf dem Grünland geleistet werden.

Durch wärmere Sommer verläuft die Entwicklung des Almfutters schneller als bisher bekannt. Das Wachstum beginnt schon zwei Wochen früher. „Das hat wiederum große Auswirkungen auf die Qualität des Almfutters“, macht Pflanzenbau-Experte Karl Buchgraber aufmerksam. Reifere Pflanzen und Gräser besitzen einen höheren Rohfasergehalt und haben eine geringere Verdaulichkeit. Die Tiere gewinnen dadurch weniger Energie für die Ernährung. Buchgraber folgert: „Durch das frühe Einsetzen der warmen Phase im Frühling wird das Zeitfenster für eine Weide mit optimalem Futter während der Saison immer enger.“

Alternative Hirse

Auch der Mais, eine der bedeutendsten Kulturpflanzen, kommt durch die klimatischen Veränderungen zunehmend unter Druck. Extremwettersituationen wie Starkregenereignisse oder Dürreperioden führen zu Ernteeinbußen. Zunehmend verursacht der Maiswurzelbohrer große Schäden. Da Silomais – mit einer österreichweiten Anbaufläche von 80.000 Hektar – ein idealer Energieträger in der eiweißreichen Grundfutterration der Wiederkäuer ist, forschen die Wissenschaftler der HBLFA Raumberg-Gumpenstein an Alternativen und könnten sie mit der Hirse bereits gefunden haben. Sie hat ähnliche Ansprüche an Boden und Düngung wie Mais und ist trockenheitsresistenter. Zudem wird sie deutlich weniger vom Maiswurzelbohrer befallen. Beim Energiegehalt liegt die Hirsesilage jedoch hinter der Maissilage. Der Grund dafür ist ihre schlechtere Verdaulichkeit.

Kühe im Hitzestress

Die Forschung in Raumberg-Gumpenstein zeigt auf, dass Rinder mit zunehmender Leistung deutlich weniger hitzetolerant sind. Der Behaglichkeitsbereich von Milchkühen liegt beispielsweise bei 0 bis 15 Grad Umgebungstemperatur. Ab 24 Grad und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent beginnt für Milchkühe der Hitzestress. Die Folgen sind ein Rückgang der Futteraufnahme und Milchleistung, erhöhte Zellzahlen in der Milch sowie eine schlechtere Fruchtbarkeit.

Die Broschüre „Klimafolgenforschung und Klimawandel-Anpassungsstrategien“ beleuchtet in verständlicher Form 29 Teilbereiche. Sie ist als Download auf der Homepage raumberg-gumpenstein.at abrufbar.

 

Beitragsfoto: Brodschneider

 

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