Landesrat Hans Seitinger über die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und Energie sowie die Rolle der Bauern als Energiewirte.
NEUES LAND: Herr Landesrat, in der Steiermark wurden in den letzten Jahrzehnten viele Flächen verbaut oder versiegelt. Was tut die Landesregierung, um diese Entwicklung aufzuhalten?
Hans Seitinger: Wir haben im Frühjahr unser Raumordnungsgesetz dahingehend massiv verbessert, sodass zum Beispiel Einkaufszentren mit riesigen Parkplätzen vor den Stadttoren der Vergangenheit angehören sollen. Weiters wollen wir das Ausfransen der Orte verhindern. Mit vielfältigen Maßnahmen beleben wir die Ortskerne und fördern Sanierungen von bestehenden Gebäuden. Denn wo Bestehendes saniert wird, muss nichts Neues gebaut werden. Wir haben nur einen Boden und mit dem müssen wir sorgsam umgehen.
Versorgungssicherheit
NL: Ein wichtiges Thema ist auch die Versorgungssicherheit. Welchen Beitrag leisten Sie als Agrarlandesrat, der auch für den Wohnbau sowie die Wasser- und Ressourcenwirtschaft zuständig ist, dazu?
Seitinger: Für mich sind bei der Versorgungssicherheit vier Bereiche entscheidend. In erster Linie müssen wir darauf achten, dass die Wasserversorgung gewährleistet ist. Ein weiterer wesentlicher Bereich ist die Rohstoffversorgung, wo wir mit einer intelligenten und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft den Ressourcenverbrauch massiv reduzieren können.
NL: Sie sprachen von vier Bereichen. Was sind die beiden anderen?
Seitinger: Das ist zum einen die Versorgung mit Lebensmitteln und zum anderen die Versorgung mit Energie. Diese beiden stehen oftmals im Widerspruch zueinander, weil sie um Flächen konkurrieren. Und auch wenn für mich die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln oberste Priorität hat, dürfen wird nicht auf die Energie vergessen. Ich bin überzeugt, dass unsere Bäuerinnen und Bauern mit den vorhandenen Flächen, ihrem Know-how und ihrer hohen Generationenverantwortung beide Bereiche absichern können.
NL: Das heißt, die Lebensmittelversorgung ist sicher?
Seitinger: Ja, aber wir müssen aufpassen, dass den Bäuerinnen und Bauern das Wirtschaften nicht zusätzlich erschwert wird. Es gibt in Österreich höchste Standards und strengste Regeln. Das reicht vom Tierwohl über Ökoauflagen bis hin zum Umweltschutz. Diese Maßnahmen kosten auch Geld und ich hoffe, dass die Konsumenten auch in Zeiten hoher Inflation bereit sind, den Mehrwert der regionalen Produkte anzuerkennen und diesen zu bezahlen, denn auch Betriebsmittel wie Düngemittel und Kraftstoffe sind massiv teurer geworden.
NL: Das führt uns zum Thema Energie. Wie reagiert man auf die akute Energiekrise?
Seitinger: Wir müssen so schnell wie möglich alle Chancen zum Ausbau der erneuerbaren Energien nutzen, damit die Energiepreise wieder auf ein erträgliches Niveau sinken. Das heißt: Mehr Biomasse, mehr Wasserkraft, mehr Photovoltaik, mehr Windräder und vor allem bessere Netze und schnellere Verfahren. Sonst werden wir die Ziele nicht erreichen.
Photovoltaik-Sachprogramm
NL: Wie sieht das oft zitierte Photovoltaik-Sachprogramm aus?
Seitinger: In diesem Sachprogramm werden jene potentiellen Flächen definiert, auf denen Photovoltaik-Anlagen schnell ans Stromnetz angeschlossen werden können, um einen Beitrag zur Linderung der akuten Krise zu leisten. Ich habe in dieser Frage sehr dafür gekämpft, dass keine wertvollen Agrarflächen verbaut werden. So haben wir die zwei für die Landwirtschaft wertvollsten Bodenkategorien von der Verwendung für Photovoltaik ausgenommen. So kann kurzfristig auf die Energiekrise reagiert werden. Gleichzeitig werden auch alle übrigen landwirtschaftlichen Vorrangzonen, die nicht von diesem Sachprogramm umfasst sind, dauerhaft von der PV-Nutzung ausgeschlossen und für die Lebensmittelproduktion gesichert.
NL: Gibt es in Bezug auf den wichtigen Netzausbau Aktivitäten?
Seitinger: Ja, die Energie Steiermark investiert 1,5 Milliarden Euro in den Netzausbau, damit in Zukunft das Potential der Dach-, Brach- und Deponieflächen voll ausgeschöpft werden kann. Und ich setze auch große Hoffnungen in effiziente Doppelnutzungen. Wir haben dazu im Obstbau eine vielversprechende Versuchsanlage gebaut, wo wir noch die Ergebnisse abwarten müssen.
NL: Welche Möglichkeiten gibt es im Bereich der Biomasse?
Seitinger: Durch die Nutzung von unterschiedlichen Reststoffen, also zum Beispiel Bio-Abfall, Gülle oder sonstige Nebenprodukte, kann nachhaltiges Biogas produziert werden. Mit diesen Methoden kann man bis zu 20 Prozent des steirischen Gasverbrauchs liefern und damit klimaschädliches Erdgas ersetzen. Aber auch die Biomasse Holz ist insbesondere in der Wärmeversorgung nicht mehr wegzudenken und lässt bis zur Veredelung zum Treibstoff noch viel erwarten.
NL: Damit können Bauern also verstärkt auch Energiewirte werden?
Seitinger: Ja, unsere land- und forstwirtschaftlichen Betriebe haben ein enormes Potenzial. Sie werden in Zukunft nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln sichern, sondern auch einen großen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Der Beruf des Land- und Forstwirts wird immer komplexer und so braucht es eine hervorragend ausgebildete Jugend. Daher investieren wir auch sehr stark in die Bildung, denn sie ist der Schlüssel zur Zukunft.