Interview der Woche: Elisabeth Meixner

von Karl Brodschneider

Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner über die Folgen von Corona und welche Schwerpunkte im heurigen Schuljahr gesetzt werden sollen.

 

NEUES LAND: Beginnen wir mit einigen Zahlen, um einen Überblick zu erhalten. Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchen heuer die steirischen Schulen und wie teilen sie sich auf die einzelnen Schultypen auf?

Elisabeth Meixner: Im heurigen Schuljahr besuchen 142.000 Schülerinnen und Schüler unsere steirischen Schulen. In unseren Volksschulen haben wir insgesamt 44.569 Kinder, in den Mittelschulen sind es 28.294 Schüler, in den PTS 1587, in den Allgemeinen Sonderschulen 517, in den AHS 29.546, in den Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen 20.479 und in den Berufsschulen rund 17.000 Schüler und Schülerinnen.

 

NL: Die vorigen zwei Schuljahre waren extrem von den Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt. Glauben Sie, dass es 2021/22 wieder ein normales Schuljahr geben wird?

Meixner: Wir hoffen sehr, bald wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Doch Normalität gibt es in unseren Schulklassen erst dann, wenn die Bevölkerung immunisiert ist und wir vom gesamten Hygiene-Maßnahmenpaket abgehen können. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sehr bemüht, den Unterricht in der Schule wie gewohnt zu ermöglichen. Bei erhöhtem Infektionsgeschehen müssen wir jedoch handeln.

 

Häuslicher Unterricht

NL: Corona hat zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft geführt. Wie stark ist das auch in der Lehrerschaft und unter den Schülern – Stichwort häuslicher Unterricht – zu spüren?

Meixner: Viele Eltern werden kritischer und zeigen größere Skepsis. Zuletzt resultiert dies vermehrt aus in sozialen Medien gesätem Misstrauen gegen staatliche Institutionen. Corona wirkte dabei wie ein Brandbeschleuniger. Unter den Abmeldungen zum häuslichen Unterricht findet man genauso Menschen mit einem alternativen Lebensstil wie solche, die den Coronamaßnahmen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, bis hin zu Staatsverweigerern.

In gewissen Elternforen wurde zudem intensiv für die Schülerabmeldung geworben. Von einer Spaltung der Gesellschaft würde ich nicht sprechen, eher von einer großen Heterogenität der Lebensentwürfe.

 

NL: Was beschäftigt Sie besonders?

Meixner: In unseren Schulen ist die gesamte Gesellschaft abgebildet. So finden wir im städtischen Bereich zum Beispiel eine Vielfalt der Nationen und Religionen. Unser Ziel ist es, auch diese Kinder und Jugendlichen über die Pflichtschule hinaus mitzunehmen, damit auch sie ihren Platz in unserer modernen Wissens- und Leistungsgesellschaft finden. Unter anderem auch, indem Brücken zu regionalen Betrieben als potentielle Arbeitgeber gebaut werden. Die gelebte Praxis des Arbeitsmarkts zeigt, dass Talente und Potentiale manchmal ungenützt bleiben. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

 

NL: Welche Lösungsansätze sehen Sie, um die Eltern mit Migrationshintergrund und jene, die Hilfe benötigen, in dieser schnelllebigen und hektischen Gesellschaft bestmöglich zu begleiten?

Meixner: Ich möchte als eines von vielen Beispielen eine großartige Initiative aus meiner Heimatgemeinde Gnas nennen. Das ist der Elternbildungspass für alle Eltern. Es werden Vorträge zur Frage der Entwicklung der Kinder, zu Erziehungs-, Gesundheits- und medizinischen Fragen organisiert und im Pass vermerkt. Zahlreiche Gemeinden wählen ähnliche Ansätze. Eine Verknüpfung von Fortbildungen mit dem Mutter-Kind-Pass wäre denkbar.

 

Heurige Schwerpunkte

NL: Reden wir jetzt über die Schwerpunkte, die Sie im heurigen Schuljahr setzen wollen. Welche Schwerpunkte werden das sein?

Meixner: Voranstellen möchte ich die essentiell notwendige, behutsame Auseinandersetzung aller Beteiligten mit der Pandemie und den Umständen, die unsere Kinder und Jugendlichen emotional wie auch sozial in ihrem Innersten bewegen.

Wir haben viele Schwerpunkte. Erstens haben wir den Schulen das Thema Gesundheit, Umweltbildung und Klimaschutz ans Herz gelegt – ein Thema, das die Schülerinnen und Schüler bei ihren individuellen Lebensrealitäten abholt. Mangelhaftem Ernährungsverhalten und Bewegungsarmut soll entgegengewirkt werden. Auch bieten Schulbuffets vermehrt regionale, saisonale Lebensmittel an.

Langjähriger Schwerpunkt ist die Begabungs- und Talenteförderung. In den letzten Jahren hat sich unendlich viel in unseren Schulen getan, etwa im naturwissenschaftlich-technischen Bereich (Stichwort MINT), in der Vermittlung von Fremdsprachen, in der musisch-kreativen Bildung.

Ein großer Schwerpunkt liegt auch auf der Digitalisierung, wo wir zuletzt einen deutlichen Schub gemacht haben. Digitale Geräte sind Werkzeuge, die uns das Leben erleichtern sollen, doch wir wollen auch ein kritisches Bewusstsein für die Gefahren des digitalen Medienkonsums schaffen.

 

NL: In welchen Bereichen orten Sie bei den Kindern und Jugendlichen besonders viel Unwissen?

Meixner: Während der Fokus zuletzt stark auf die Vermittlung von Fachwissen und –kompetenzen gerichtet wurde, habe ich den Eindruck, dass „Schule im Leben“ ebenso wie handwerkliche Fähigkeiten weniger geworden sind. Auch die Persönlichkeitsbildung darf niemals vernachlässigt werden, um als geerdeter „Tiefwurzler“ durchs Leben zu gehen. Ginge es nach mir, müsste jedes Kind etwas Zeit auf einem Bauernhof verbracht haben. Dann stellt sich von selbst ein, was ich zum Ausdruck bringen möchte. Daher bin ich der Bäuerinnenorganisation sehr dankbar für die Kooperationsprojekte mit unseren Schulen.

 

Demokratiebildung

NL: In der Gesellschaft ist immer stärker spürbar, dass das Vertrauen in Politik, Kirche und allgemein in unser Rechtssystem immer mehr zu bröseln beginnt. Wie kann man dem in der Schule entgegenwirken? Sind die Eltern dabei noch Verbündete?

Meixner: Aus der Geschichte wissen wir. Die höchstentwickelten Kulturen ihrer Zeit neigten irgendwann zu Verfall und Niedergang. Bei den frühen Hochkulturen wie bei den Römern haben die Maßlosigkeit und Abkehr von der Natur zum Untergang dieser Gesellschaft geführt. Wir sollten den Blick wieder darauf lenken, in welch schöner Welt wir leben dürfen. Ein achtsamer und respektvoller Umgang aller Mitglieder unserer Gesellschaft untereinander würde wieder mehr Vertrauen schaffen. Demokratiebildung in den Schulen wird von mir ausdrücklich unterstützt.

 

NL: Was wünschen Sie sich für das heurige Schuljahr?

Meixner: Zuversicht, Entschlossenheit, Verständnis und Wertschätzung für ein gedeihliches Miteinander aller Beteiligten. Vor allem Freude, Sensibilität und Dankbarkeit im Umgang mit dem wertvollsten und sensibelsten Teil in unserer Gesellschaft – mit allen unseren Kindern und Jugendlichen.

 

Zur Person

Elisabeth Meixner, verheiratet mit Gerhard Meixner, dem Bürgermeister von Gnas, ist Mutter von zwei Söhnen, wovon einer im Jahr 2014 bei einem Verkehrsunfall starb. Sie hat zwei Enkelkinder. Elisabeth Meixner kann auf rund 20 Jahre Unterrichtserfahrung als Lehrerin blicken. Im Jahr 2005 wurde sie im damaligen Landesschulrat Vizepräsidentin, 2013 Präsidentin. Jetzt ist sie als Bildungsdirektorin in der Bildungsdirektion Steiermark tätig.

 

 

 

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