Im Interview: Hans Seitinger

von Karl Brodschneider

Landesrat Hans Seitinger über die Themen, die ihn als erfahrenen Agrarpolitiker derzeit am meisten beschäftigen und was er LH Hermann Schützenhöfer zum bevorstehenden 70. Geburtstag wünscht.

 

NEUES LAND: Herr Landesrat, Sie zählen zu den erfahrensten Agrarpolitikern Österreichs. Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt als Landesrat im Jahr 2003 für die steirischen Bauern verändert?

Hans Seitinger: Das Umfeld für die bäuerliche Produktion hat sich enorm gewandelt. Globale Trends wirken sich auch auf unsere heimische familiengeführte Landwirtschaft aus. Wir hatten viele Krisen und Herausforderungen zu meistern. Das reicht von der Bewältigung von Naturkatastrophen über die GAP-Verhandlungen bis hin zur Berücksichtigung der bäuerlichen Interessen in den Regierungsprogrammen von Land und Bund. Natürlich würden wir uns alle wünschen, dass noch mehr für unsere Bäuerinnen und Bauern herausschaut, aber Politik ist die Kunst des Möglichen. Insofern braucht es immer auch Kompromisse – parteiintern genauso wie mit anderen Ländern oder dem Regierungspartner. Wenn man sich die Reaktionen unserer Kritiker anschaut, sieht man schon, dass uns im Großen und Ganzen recht viel gelungen ist. Auf dem, was wir gestern erreicht haben, dürfen wir uns heute nicht ausruhen. Das Feld muss jedes Mal aufs Neue bestellt werden.

 

NL: Es ist also viel gelungen und was sind die Ziele für die nächsten Jahre?

Seitinger: Im Großen müssen wir dafür sorgen, dass unsere Bauernfamilien weiterhin Perspektiven haben. Das erfordert viele kleine und große Maßnahmen – von der landwirtschaftlichen Bildung über technologische Innovationen und die Klimawandelanpassung bis hin zum bäuerlichen Marketing und den notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. In der Steiermark haben wir die besten Voraussetzungen dafür, den erfolgreichen Weg entschlossen fortzusetzen.

 

NL: Gibt es da schon konkrete Maßnahmen?

Seitinger: Ja, die gibt es. Für unsere landwirtschaftlichen Schulen haben wir mit dem Koalitionspartner eine große Modernisierungs- und Investitionsoffensive gestartet, denn die geistigen Hektar sind die ertragreichsten. Mit modernen Schulen und praxisnaher Ausbildung stellen wir sicher, dass wir der Jugend auch in Zukunft reale Chancen bieten können. Das ist ein Teil des Fokus auf die bäuerliche Jugend, den ich setzen möchte.

 

Veränderungen

NL: Computer, künstliche Intelligenz und zahlreiche andere Innovationen lassen in unserer Gesellschaft keinen Stein auf dem anderen. Wie sehr wird sich die Landwirtschaft in den kommenden Jahren verändern?

Seitinger: Die Digitalisierung hat in der Landwirtschaft schon längst Einzug gehalten. Selbstfahrende Traktoren, Futterautomaten, Melkroboter und der Einsatz von Drohnen für den Pflanzenschutz sind schon jetzt Realität. All diese Innovationen werden dazu beitragen, dass die Landwirtschaft insgesamt nicht nur effizienter, sondern vor allem auch sicherer wird. Darüber hinaus hat die Digitalisierung auch im Bereich der Direktvermarktung neue Möglichkeiten etwa in Form von Internet-Plattformen geschaffen. Die Voraussetzung, um all diese innovativen Systeme nutzen zu können, ist flächendeckend verfügbares Internet. Deshalb forcieren wir als Landesregierung den Breitbandausbau in den Regionen.

 

NL:  Und wie schaut es bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen aus? Vor Weihnachten wurde eine grundsätzliche Einigung für eine neue Raumordnung präsentiert. Was sind die bedeutenden Fortschritte? 

Seitinger: Mit der neuen Raumordnung wollen wir mehr Rechtssicherheit für unsere Betriebe schaffen. Dazu gehört neben der Harmonisierung der Geruchsbestimmungen in Baugesetz und Raumordnung auch der Schutz vor nachträglichen Auflagen durch zugezogene Nachbarn. Da wird es eine Lösung geben, um Investitionen in die bäuerliche Zukunft abzusichern. Dazu kommen noch viele Maßnahmen, um den Bodenverbrauch einzudämmen. Der Schutz unserer wertvollen landwirtschaftlichen Böden hat oberste Priorität.

 

NL: Und wann wird es zur Beschlussfassung kommen?

Seitinger: Wir können davon ausgehen, dass diese Novelle in Kürze vom Landtag beschlossen wird. Ich vertraue da sehr auf unseren Regierungspartner SPÖ.

 

Klimawandel

NL: Die Themen Klimawandel und Klimaschutz sind in aller Munde. Inwieweit ist die heimische Land- und Forstwirtschaft davon betroffen?

Seitinger: Unsere Bäuerinnen und Bauern sind nicht nur unmittelbar von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, sie sind auch die wahren Klimaschützer. Während andere nur vom Klimaschutz reden, geht die Land- und Fortwirtschaft mit gutem Beispiel voran. Immer mehr Bauern versorgen unser Land nicht nur mit hochwertigen regionalen Lebensmitteln, sondern auch mit nachhaltiger Energie. Sei es durch Biomasse, Biogas oder durch den Ausbau der Photovoltaik, wobei klar ist, dass sich diese zuerst primär auf Dach- und Brachflächen beschränken muss. Hochwertige Böden müssen auch in Zukunft landwirtschaftlich genutzt werden. Durch Humusaufbau und nachhaltige Waldbewirtschaftung tragen unsere Bauern darüber hinaus dazu bei, schädliches CO2 aus der Luft dauerhaft zu speichern. Das ist gelebter Klimaschutz!

 

NL: Wird diese Klimaschutz-Arbeit auch entsprechend honoriert?

Seitinger: Noch nicht, aber es gibt derzeit auf europäischer Ebene Bestrebungen, die Funktion der CO2-Senke zu berücksichtigen. Wenn das ein unbürokratisches und machbares Modell wird, kann sich das zu einem neuen Betriebsfeld für unsere Land- und Forstwirtschaft entwickeln.

 

NL: Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben in den letzten zwei Jahren bestimmt. Am 5. März fallen die meisten COVID-Maßnahmen. Rechnen Sie mit spürbaren Markt-Auswirkungen auf die heimische Land- und Forstwirtschaft?

Seitinger: Die vergangenen beiden Jahre haben nicht nur viel Unsicherheit im Allgemeinen, sondern zum Teil auch enorme Preisschwankungen in den verschiedensten Sektoren mit sich gebracht. Vor allem die steigenden Preise für Betriebsmittel und die hohen Energiekosten haben unseren Bauernfamilien besonders zugesetzt. Ich habe große Hoffnung, dass mit der wiedergewonnenen Normalität nun auch wieder Stabilität und Planungssicherheit auf den heimischen Märkten zurückkehren. Neben Corona ist derzeit aber die Situation in der Ukraine die große Unbekannte. Da sind wir als EU in vielerlei Hinsicht betroffen. Es wäre wichtig, dass sich die EU endlich auf eine starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einigt, damit wir auf der Weltbühne unsere Interessen vertreten können. Das wäre wichtiger, als manch regulatorisches Irrlicht, das aus Brüssel kommt.

 

Landeshauptmann

NL: Zum Abschluss noch zwei persönliche Fragen. Unser Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer begeht in den nächsten Tagen seinen 70. Geburtstag. Was wünschen Sie ihm?

Seitinger: Unser Landeshauptmann sagt immer, „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ In diesem Sinne wünsche ich ihm viel Gesundheit und dass er sich seine Schaffenskraft noch lange erhält! Im Übrigen sage ich auch Vergelt´s Gott für all seine Unterstützungen in Richtung Bauernschaft.

 

NL: In letzten Wochen und Monaten gab es aufgrund der COVID-Schutzmaßnahmen keine Veranstaltungen. Wirkte sich das auf Ihren Terminkalender aus?

Seitinger: Die Termine wurden nicht weniger, sie wurden nur anders. Aus Rücksicht voreinander haben wir nun lange Zeit Abstand zu anderen Menschen gehalten. Dadurch sind andere Kommunikationsformen, wie beispielsweise Videokonferenzen, zum Alltag für uns geworden. Ich bin ich sehr glücklich, dass wir nun wieder offener aufeinander zugehen können, und freue mich schon auf zahlreiche persönliche Begegnungen und interessante Gespräche, wo immer sie stattfinden werden, denn am Puls der Menschen spielt sich die Realpolitik ab und nicht in den digitalen Netzwerken. Lassen wir uns nicht von manchem „geistigen Schrott“, der oft künstlich vermehrt wird, leiten.

 

Beitragsfoto: Archiv 

 

 

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