Gesegnetes Schießpulver und eigene Jägersprache

Jagdliches Brauchtum ist so alt, wie die Jagd selbst. Obwohl viele Bräuche längst abgekommen sind, ist die Pflege des Brauchtums in den Statuten aller Jagdgesellschaften verankert.

von NEUES LAND

Bei vielen altsteinzeitlichen Höhlenmalereien sind nicht nur jagdbare Tiere, sondern auch Jäger mit Äxten und Speeren zu sehen. Die Vermutung liegt nahe, dass derartige Bilder in bestimmten Kulthandlungen auf die Jagd einstimmen sollten, in einer Zeit, als vom Jagdglück das Überleben einer ganzen Sippe abhing. In vielen schriftlichen Quellen des 16. Jahrhunderts finden wir Texte zur höfischen Jagd, in denen auch Jagdbräuche erwähnt werden. Zum Schutz der bäuerlichen Bevölkerung musste eine herrschaftliche Jagd zwei Wochen davor vom Pfarrer in der Kirche verkündet werden. Die Jagd hatte mit einem weithin hörbaren Hornruf zu beginnen, spätestens danach durfte sich niemand außer Haus blicken lassen.

Nibelungensage

Während einer Jagd hatte jeder Streit, jede Feindschaft zu ruhen. Auf diese Verordnung wurde besonderen Wert gelegt, da man eine Jagd hin und wieder als günstige Gelegenheit betrachtete, einen Gegner für immer loszuwerden. Der bekannteste Fall eines heimtückischen Mordes während eines Jagdausfluges ist uns aus der Nibelungensage überliefert, als der eifersüchtige Ritter Hagen seinen heldenhaften Kameraden Siegfried mit seinem Jagdspieß im Odenwald ermordete.

Zu Beginn der Neuzeit kam es mit neuer Waffentechnik für Jäger zu entscheidenden Veränderungen. Der von den Reitervölkern des Ostens übernommene Reflexbogen war die erste wirksame Fernwaffe, wurde jedoch bald von der Armbrust verdrängt. Um 1650 kam das Radschlossgewehr auf, eine Hightech-Waffe jener Zeit, die sich allerdings nur der betuchte Adel leisten konnte. Aus dieser Ära stammen viele Bräuche wie zum Beispiel die „Pulverweihe“. In jeder Jagdgesellschaft sollte sich ein Priester befinden, der das Schießpulver segnete. Die Kugeln sollten aus einer „g’weichten“ Kugelzange gegossen werden, um damit nur Tiere, aber keine Jäger oder Treiber zu treffen.

Zu Beginn der Jagd wurde jedem Jäger ein Stamperl Wacholderschnaps gereicht, der wohl die nervliche Anspannung lindern sollte. Der Jagdherr hatte danach alle Jagdteilnehmer zu belehren und einzuteilen, welche Aufgaben den Reisjägern und den herrschaftlichen Jägern beziehungsweise den Jagdgästen zufielen. Als Reisjäger bezeichnete man Jagdgehilfen aus der Bauernschaft, die eine beschränkte Jagdaufsicht für die Herrschaft ausübten. Sie waren bei der Jagd zu unterscheiden, weil sie außer dem Gewehr nur den Hegerstock tragen durften, zum Unterschied der „birschgerechten“ Jäger, die an der rechten Hüfte einen Hirschfänger trugen. Den Hegestock, üblicherweise aus Haselholz, musste der Jäger selbst gefunden und zugerichtet haben.

Weidmannsheil

Erlegte ein Jäger ein Schalenwild, so überreichte ihm sein Jagdherr einen Tannenzweig, auch „Bruch“ genannt, mit dem Glückwunsch „Weidmannsheil“ und steckte ihn auf dessen Hut. Der erfolgreiche Schütze erwiderte mit „Weidmanns Dank“. Sich den Zweig selbst anzustecken, galt als unweidmännisch. Verstöße gegen Jagdgesetze, ebenso gegen mündlich überlieferte Bräuche, wurden innerhalb der Jagdgesellschaft streng geahndet.

Der vermutlich älteste noch gepflegte Jagdbrauch ist die Jägersprache. Jakob Grimm, der Märchensammler und Altmeister der deutschen Sprachwissenschaft, sammelte vor 200 Jahren rund 3000 Begriffe aus dieser Fachsprache und stellte fest, dass etliche aus dem Französischen stammten, wie „apportieren“, „Revier“, „Domäne“ etc. Der Jäger gebrauchte seine Sprache, um sich als Privilegierter, der sich bewaffnen durfte, vom gemeinen Volk abzuheben. So nennt er den Hasen auch „Löffelmann“, dessen Augen „Seher“, während die Reh-Augen „Lichter“ heißen. „Äser“ sind der Mund. Ein Wild ist nicht tot oder gestorben, sondern erlegt oder verendet. Ein Auerhahn fliegt nicht, sondern „streicht“.

Auch makabre Jägerspiele soll es einst gegeben haben, wenn man den Erzählungen alter Jäger glauben darf. In Halben­rain wurde einmal ein Jagdgast, den man als argen Angeber kannte, beim nächtlichen Jägermahl „ang’wassert“ [betrunken gemacht], sodass er nicht einmal mehr seinen Namen sagen konnte. Seine Kollegen legten ihn auf eine Bahre, deckten ihn mit einer „Rossdecke“ zu und trugen ihn auf den Friedhof hinaus. Nach seiner Anzeige sollten die Gendarmen die „Bestatter“ eruieren, doch war in jener Nacht die ganze Gesellschaft derart betrunken, dass sich niemand mehr an Einzelheiten erinnern konnte.

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