Islamistisch, rechts oder links: Schuld sind die Juden!

von NEUES LAND

Das bestialische Ermorden von israelischen Zivilisten durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 wirft auch in Österreich einige Fragen auf. Beitrag von Hans Putzer im Rahmen der Serie „Zeitdiagnosen“.

 

Wer im letzten Monat auch nur ein wenig die mediale Berichterstattung verfolgt hat, kann das, was in diesen Wochen geschehen ist, wohl kaum unbeteiligt zur Kenntnis nehmen: zuerst dieses in seinem Leid unermessliche Massaker an unschuldigen Jüdinnen und Juden und dann – kaum weniger schockierend – die Unterstützungsdemonstrationen für diese Gräueltaten auch in Österreichs Städten. Nein, man kann das nicht, wie von manchen dieser Unterstützer, als Solidaritätsakt für die leidende palästinensische Zivilbevölkerung schönreden.

Einmal davon ganz abgesehen, dass Israel in dieser Region die mit großem Abstand am weitesten entwickelte Demokratie ist und sich daher Klassifizierungen wie „Apartheid-Staat“ oder „Kolonial-Macht“ von selbst ad absurdum führen, ist es auch der denkbar schlechteste Zeitpunkt angesichts hemmungslos ermordeter Kinder und vor ihrer Hinrichtung noch vergewaltigter Frauen – und selbstverständlich alles mit mitgeführten Kameras gefilmt – das Unrecht an der palästinensischen Bevölkerung gegenzurechnen. Solche Zuschreibungen werden auch nicht wahr, wenn sie von Franz Sölkner von der sogenannten „Steirischen Friedensplattform“ aus dem grün-katholischen Umfeld kommen.

Der österreichisch-jüdische Autor Doran Rabinovici hat es in einem Gastkommentar in einer Wiener Wochenzeitung punktgenau formuliert: „Wer angesichts der Aufnahmen aus Israel die Untaten der Hamas durch den Verweis auf die israelische Besatzung relativiert, verteidigt die Massenmörder.“

Hetzen und relativieren

Doch die österreichische Realität ist längst eine andere: Israelische Fahnen werden heruntergerissen. Die Sozialistische Jugend Vorarlberg und eine Wiener-SPÖ-Gruppe rufen Hand in Hand mit den Kommunisten zur Befreiung Palästinas auf, um damit auch für die Überwindung des Kapitalismus‘ aufzutreten. Wäre es nicht so unerträglich tragisch, müsste man es fast für einen Treppenwitz der Geschichte halten, wenn ausgerechnet Schwulen- und Lesbeninitiativen für „Free Palestine“ demonstrieren, einer Losung, die allgemein als Aufforderung, Israel zu zerstören, gebraucht wird. Gerade in Gaza wären sie – und das im besten Fall – für ihre sexuelle Orientierung im Gefängnis gelandet, während sie in Israel problemlos heiraten können.

Wenn die Hamas alle Muslime weltweit auffordert, die „Nichtgläubigen“ überall und jederzeit zu verfolgen, beschränkt sich die Reaktion der österreichischen Repräsentanten dieser hierzulande immerhin staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft darauf, und nur sehr allgemein und ohne Täter und Opfer zu unterscheiden, „Gewaltexzesse und eklatante Menschenrechtsverletzungen“ zu verurteilen.

Jüdinnen und Juden – aus Berlin kennt man das schon lange – verstecken sich inzwischen auch schon in Österreich in der Anonymität. Sie sprechen in der Öffentlichkeit miteinander nicht mehr hebräisch, tragen ihre Kippa unter Baseballkappen und entfernen die Mesusa – eine Art Haussegen – von ihren Eingangstüren.

Man kann es drehen, wie man will, der Antisemitismus ist zwar nicht in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen, er wird aber von deren Rändern in längst überwunden geglaubter Weise neu befeuert. Meron Mendel, der israelisch-deutsche Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, der sich mit seiner muslimische Frau Saba-Nur Cheema schon lange und auch öffentlichkeitswirksam für den interkulturellen Dialog engagiert, hat erst vor kurzem im ORF auf die Frage, woher dieser aktuelle Antisemitismus käme, sehr deutlich geantwortet: Von links und aus islamistischen Kreisen. Sein Nachsatz: Die Rechten könnten sich zurücklehnen und zusehen, wie ihre Agenda nun von anderen erledigt werde.

In der Tat sind Sozialismus, Nationalismus und Religion, wann immer sie mit fundamentalistischem Anspruch auftreten, eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft. Wer Menschen nach einem strikten Entweder-oder-Prinzip einteilt, in gute und schlechte Rassen, in unterdrückende und unterdrückte Klassen oder in Rechtgläubige und Ungläubige, meint Besitzer der alleinseligmachenden Wahrheit zu sein. Und damit wurde in der Geschichte immer Blut vergossen!

Am linken Auge blind

Bis zum 7. Oktober schien die politische Verortung des Antisemitismus – zumindest für die Deutungselite – völlig klar zu sein: Wer sich antisemitisch verhält, ist eindeutig rechts. Auch das statistische Zahlenmaterial zu Übergriffen – seien es Beschimpfungen, Sachbeschädigungen oder tätliche Angriffe – schien diese These zu belegen. Dass in diesen Statistiken aber regelmäßig die weitaus überwiegende Zahl gar nicht zugeordnet worden ist oder auch der wiederholt formulierte Zweifel an dieser verkürzten Darstellung durch Elie Rosen, dem Präsidenten der Jüdischen Gemeinde in Graz, blieb weitgehend unbeachtet.

Wer es wagte, den muslimischen Antisemitismus anzusprechen, galt sofort als islamophob oder als antimuslimischer Rassist. Und wer bei diesem Thema gar „links“ in die Diskussion einzubringen versuchte, dem wurde sehr rasch und unmissverständlich klar gemacht, dass die „Linken“ immer die „Guten“ seien und immer auf der richtigen Seite gestanden sind.

Natürlich hat das so nie gestimmt. Mehrere Studien in den letzten Jahren belegen sehr deutlich, dass die antisemitischen Einstellungen von in Österreich lebenden türkisch- oder arabischstämmige Menschen um vieles stärker sind als in der Gesamtbevölkerung.

Und was den linken Antisemitismus betrifft, hat ohnehin das Nachrichtenmagazin „Profil“ auf seiner Titelseite vom 29. Oktober – wohl unfreiwillig – den Offenbarungseid geleistet: „Künstlerinnen, Woke, Klimaschützer – der Antisemitismus kommt auch von unerwarteter Seite [und dann mit großen Lettern:] Judenhass von links. Sorry, liebe Profil-Redaktion: unerwartet war da gar nichts. Der linke Antisemitismus gehört zur Geschichte Österreichs spätestens seit 1920, als die Sozialdemokraten auf ihren Plakaten gegen „Kapitalisten“ diese mit einer stereotyp jüdischen Physiognomie darstellten. Karl Renner, bis heute einer der Säulenheiligen der Sozialdemokratie, forderte 1920 aus der Opposition heraus die Regierung auf, „endlich das uralte Programm des Judenpogroms“ zu erfüllen. 55 Jahre später formulierte Bruno Kreisky in einem Interview mit dem „Spiegel“: „Wenn die Juden ein Volk sind, so sind sie ein mieses Volk.“

Und wenn wir schon bei den Säulenheiligen sind, darf auch der dritte hier nicht fehlen: Heinz Fischer: Als die Hamas 2021 bereits Raketen auf Israel abgefeuert hatte, und die österreichische Bunderegierung – Kanzler Kurz, Außenminister Schallenberg – die israelische Fahne am Bundeskanzleramt hießen ließ, meinte der Altbundespräsident: „Es ist schmerzlich, dass gerade das neutrale Österreich in diesem tragischen Konflikt jetzt Einseitigkeit demonstriert.“ Nur damit hier keine Unklarheit entsteht: Auch 2021 war Israel ein souveräner, demokratischer Staat und die Hamas eine international geächtete Terrororganisation.

KPÖ ausgeladen

Und die KPÖ? Die Israelitische Kultusgemeinde hat bekanntlich die KPÖ heuer von ihrer Veranstaltung zum Gedenken an die November-Pogrome vor 85 Jahren ausgeladen. Gründe dafür gibt es genug: eine kommunistische Gemeinderätin hatte Israel und die Hamas defacto auf eine Ebene gestellt. Bürgermeisterin Kahr wehrte sich anfangs dagegen, dass die israelische Fahne als Zeichen der Solidarität vor dem Grazer Rathaus aufgehängt wird. Und last but not least hat man bei der Kultusgemeinde auch nicht vergessen, dass die KPÖ 2019 die als schwerstens antisemitisch eingestufte BDS im Gegensatz zu allen im Gemeinderat vertretenen Parteien nicht verurteilen wollte. BDS („Boykott, De-Investitionen und Sanktionen“) ist ein internationales Netzwerk, das Israel völlig isolieren will und dazu aufruft, mit Jüdinnen und Juden auch außerhalb von Israel weder Geschäfte zu machen noch wissenschaftlich zu kooperieren.

Kahr nahm dies zwar zur Kenntnis, verwies allerdings darauf, dass die KPÖ doch immer auf der Seite der Juden gestanden sei. Da dürfte sie im Parteigeschichtsunterreicht wohl nicht aufgepasst haben. Bei einer von den Kommunisten angeführten Hungerdemonstration in Bad Ischl 1947 war vor einer Flüchtlingsunterkunft unter anderem „Schlagt die Juden tot“ und „Hängt die Saujuden auf“ zu hören. Dies ist umso mehr bemerkenswerter, da zu diesem Zeitpunkt die Kommunisten eine führende Rolle in der Israelitischen Kulturgemeinde gespielt haben. Nach der berechtigten Kritik jüdischer Vertreter an dieser kommunistischen Agitation hat die KPÖ ihre Mitglieder der Kultusgemeinde angewiesen, diese zu verlassen.

 

Foto: Brodschneider

 

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