Hermine Mitter von der Universität für Bodenkultur in Wien über den Klimawandel, Herausforderungen und neue Chancen in der Landwirtschaft.
NEUES LAND: Die Serie der Wetterextreme hat sich auch im heurigen Herbst fortgesetzt. Der Oktober 2018 war einer der zehn wärmsten der Messgeschichte. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Hermine Mitter: Wetterextreme wie Gewitter, Hagelereignisse oder Hitzetage treten meist sehr regional auf und sind deshalb auch schwer vorhersehbar. Doch wir wissen, dass die Jahresmitteltemperatur in den letzten 25 Jahren um ein Grad Celsius gestiegen ist. Und dieser Anstieg kann in Zukunft auch vermehrt zu Unwettern oder Hitzeperioden führen.
NL: Warum häufen sich verschiedene Wetterextreme, die sehr oft zu Katastrophen führen, in den letzten Jahren?
Mitter: Ich bin zwar keine Klimaexpertin,
aber wenn die Luft wärmer wird, kann sie mehr Wasser aufnehmen. Die aufgeladenen Wolken entleeren sich dann meist lokal und können Starkniederschläge oder Stürme verursachen.
NL: Diese von Ihnen angesprochenen Unwetter beeinflussen die Arbeit der heimischen Bäuerinnen und Bauern enorm. Wie können sie in der täglichen Arbeit darauf reagieren?
Mitter: Unsere Bäuerinnen und Bauern sind sehr gescheit, sie reagieren auch schon auf den Klimawandel. In der Forschung nennen wir dies Anpassungsmaßnahmen. So werden bereits modernste Wetterdienste genutzt, um meist kurze Zeitfenster in der Bearbeitung zu nutzen. Auch in der Bodenbearbeitung wird großer Wert auf die Bodenschonung gelegt. Zwischenfrüchte werden angebaut, um Bodenerosion zu verringern. Humus wird aufgebaut, um Kohlenstoff zu speichern und die Wasserspeicherfähigkeit der Böden zu steigern, Trockenperioden können besser überbrückt werden. Risikomanagement in Form von Versicherungen an Bedeutung gewinnen.
Zu den Gewinnern zählen zum Beispiel der Wintergetreideanbau oder der Wein- und Obstbau, wenn sie sich auf höhere Lagen ausdehnen.
NL: Sie arbeiten am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der BOKU. Wohin wird uns der Weg unter diesen neuen Voraussetzungen führen?
Mitter: Im Hinblick auf den Klimawandel ist die Landwirtschaft sehr gefordert. Und dabei wird es Gewinner und Verlierer geben. Zu den Gewinnern zählen zum Beispiel der Wintergetreideanbau oder der Wein- und Obstbau, wenn sie sich auf höhere Lagen ausdehnen. Zu den Verlierern gehört zum Beispiel das Sommergetreide. Auch Nischenprodukte werden an Bedeutung gewinnen. Neben der Hirse, die bereits als Futtermittel für Schweine eingesetzt wird, könnte es auch vermehrt zum Anbau von Spezialkulturen wie Melonen oder Reis kommen.
NL: Derzeit wird intensiv an trockenresistenten Saat- und Pflanzgut geforscht. Gibt es hier schon Durchbrüche?
Mitter: In diesem Bereich macht die Forschung große Fortschritte. Man greift dabei auch auf Erfahrungen aus dem Mittelmeerraum zurück. Doch dabei gibt es ein Problem: Wie werden sich hitzeresistente Pflanzen verhalten, wenn wir niederschlagsreiche Sommer oder wieder kältere Phasen haben? Da gibt es noch wenig Erfahrung.
NL: Wo sehen sie die Landwirtschaft in 20 Jahren?
Mitter: Idealerweise werden Landwirte auf den Klimawandel reagieren und neue Chancen nutzen. Sie sind in ihrer täglichen Arbeit sehr kreativ. Als Grundlage dafür brauchen sie jedoch ausreichend Informationen und Anpassungsmaßnahmen müssen sich wirtschaftlich rechnen. Hier sind Wissenschaft, Beratung und Politik besonders gefordert. Auch deshalb, weil unsere Modellergebnisse zeigen, dass in den nächsten 20 Jahren die Agrarpolitik eine ebenso große Rolle für die landwirtschaftlichen Einkommen spielen kann wie der Klimawandel.
Die Veranstaltung
Am Dienstag, dem 27. November, findet am Steiermarkhof in Graz das ÖKL-Kolloquium „Produktionsfaktor Wetter“ statt. Von 9 bis 16.45 Uhr beschäftigen sich namhafte Referenten, darunter auch Hermine Mitter, mit den Themen Klimawandel, Wettervorhersage und Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Um Anmeldung unter 01/505 1891-16 bis 21. November wird gebeten. Nähere Informationen auf www.oekl.at.
Beitragsbild: agrarfoto.com