Bärbel Pöch-Eder, Psychologin, Beraterin und Obfrau vom Verein „Zukunft Bauernhof“, über Kriegsangst, Zukunftssorgen und Wege zu einem zufriedenen Leben.
NEUES LAND: Erkennen Sie bei den Gesprächen mit Ihren Klienten und bei den dabei dominierenden Themen einen Unterschied von vor drei Jahren und heute?
Bärbel Pöch-Eder: Ja, unbedingt. Vor drei Jahren, also vor Corona, war die Stimmung allgemein gelöster und zuversichtlicher, was die betriebliche und persönliche Zukunft betrifft. Seit Corona haben vor allem die Themen Erschöpfung und Überforderung zugenommen, Anfangs auch Angst vor eigener Erkrankung oder Erkrankungen in der Familie.
NL: Vor nicht einmal einem Monat hat der Ukraine-Krieg begonnen. In den Nachrichtensendungen und Zeitungen werden wir ständig mit den Meldungen und Bildern dazu konfrontiert. Wie gehen die Menschen damit um?
Pöch-Eder: Etliche Menschen wollen diese Bilder bewusst nicht mehr sehen, um die Angst, Verzweiflung und Ohnmacht nicht spüren zu müssen, die diese in ihnen auslösen. Emotional besser geht es jenen Menschen, denen es gelingt, ihre Ängste, Traurigkeit und Wut zuzulassen und auch in der Familie und mit Freunden darüber zu sprechen. Ich erlebe, dass jene Menschen dadurch handlungsfähig bleiben und sich Gedanken darüber machen können, was sie tun können, um ukrainischen Familien ganz praktisch zu helfen. Auch ukrainisch-sprachige Psychotherapeuten, Berater und Psychologen stellen ihre Zeit und Arbeitskraft zur Verfügung, ebenso Supervisoren und Pädagogen. Auf sozialen Netzwerken bilden sich blitzschnell Unterstützungsgruppen.
Ukraine-Krieg
NL: Bald wird uns auch die Flüchtlingswelle erfassen. Da wird es wohl keine Gemeinde mehr geben, wo nicht auch ukrainische Flüchtlinge untergebracht werden oder Kinder einen Platz im Kindergarten und in der Schule brauchen. Wird unsere Gesellschaft das aushalten oder kommen wieder die Bilder von 2015 hoch?
Pöch-Eder: Die Hilfsbereitschaft ist groß. Viele Menschen suchen sich Gleichgesinnte, mit denen sie gemeinsam Lebensmittel und Kleidung sammeln oder Unterkünfte anbieten. Die Bilder scheinen andere zu sein als 2015. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass uns die Menschen aus der Ukraine in ihrer Kultur und Religion,- und damit mit ihren gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen, – vertrauter erscheinen als Menschen aus Balkanländern.
Unsere Gesellschaft und unsere Politik sind gefordert, die Vertriebenen auch in unser Bildungssysteme und unseren Arbeitsmarkt zu integrieren – und das langfristig. Ich persönlich glaube leider nicht, dass die Krise rasch vorübergehen wird.
NL: Auch die Corona-Pandemie ist nicht vorbei. Sie wird in der öffentlichen Wahrnehmung aber momentan vom Ukraine-Krieg überlagert. Wie stark ist das Corona-Thema bei den Gesprächen mit Ihren Klienten und bäuerlichen Menschen präsent?
Pöch-Eder: Das Thema Corona scheint mir schon vor dem Ukraine Krieg in den Hintergrund getreten zu sein. Immer mehr Menschen sind des Themas müde und sind auch wesentlich weniger bereit, Vorsichtmaßnahmen zu treffen. Wer geimpft ist, fühlt sich relativ geschützt und nimmt auch eine Infektion in Kauf in der Hoffnung, dass diese nicht schlimmer als eine Erkältung ist. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wie Lieferengpässe, Zahlungsschwierigkeiten, schlechte Auftragslage etc. scheinen die Menschen zurzeit mehr zu beschäftigen als die gesundheitlichen Auswirkungen.
Teuerungswelle
NL: Zu Corona und Ukraine ist jetzt auch noch eine große Teuerungswelle dazugekommen. Strompreise, Gas- und Treibstoffpreise und Betriebsmittelpreise explodieren förmlich. Halten so etwas die Menschen lange aus?
Pöch-Eder: Die Teuerungswelle ist tatsächlich ein Thema, das momentan sehr präsent ist. Rundherum wird gespart, auch schon bei relativ kleinen Beträgen. Nur sehr große Unternehmen sind in der Lage, die Teuerungen in der Produktherstellung in ihren Endpreisen abzubilden. Für die kleinstrukturierte steirische Landwirtschaft ist das allerdings schwer möglich und eine riesengroße Herausforderung. Die Politik wird stützend eingreifen müssen, um eine Betriebsschließungswelle in den nächsten Jahren zu verhindern.
Umgang mit Krisen
NL: Ist die Zukunftsangst etwas, was Ihre Arbeit stark oder in letzter Zeit noch stärker als sonst begleitet? Können die Menschen noch mit Krisen umgehen?
Pöch-Eder: Zukunftsangst ist ein Thema, das nach meiner Erfahrung gerade jetzt wieder spürbar wird. Wie wird es weiter gehen, können wir uns unsere Leben noch leisten, müssen wir umstrukturieren und verändern? Psychologische, betriebswirtschaftliche und rechtliche Beratungen sind gefragt. Und ja – die Menschen können mit Krisen umgehen! Entscheidend dabei ist, dass sie sich der sie umgebenen Unterstützungssysteme – dazu zählen zum Beispiel die Familie, Freunde, Landwirtschaftskammer, Berater, Tiere, Natur – bewusst sind oder werden und diese nutzen. Wir alle brauchen den Austausch, die praktische und emotionale Unterstützung von anderen, die konkrete Hilfe und gezielte Beratung in Veränderungszeiten.
NL: Was ist das Gegenmittel dazu? Ohne Sorgen wird es wohl nie gehen, aber was hilft für ein zufriedenes Leben?
Pöch-Eder: Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der vorigen. Ziehen Sie sich nicht zurück, kapseln Sie sich nicht ab! Reden Sie miteinander und bleiben Sie offen für die Menschen in Ihrer unmittelbaren Umgebung! Pflegen Sie bewusst Ihre Kontakte und sorgen Sie gut für sich selbst. Auch Sie werden gebraucht. Erlauben Sie sich, sich zu freuen, sich zu entspannen und sich Gutes zu tun – gemeinsam mit Ihrer Familie und den Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Damit helfen Sie sich selbst und Ihrer Familie am meisten. Wenn daraus die Kraft erwächst, Engagement und Unterstützung auch noch anderen Menschen zuteilwerden zu lassen, umso besser. Und das Schöne ist: Unterstützung, Aufmerksamkeit und Zuwendung werden mehr, wenn man sie teilt.
Zur Person
Bärbel Pöch-Eder ist seit 1994 in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Psychologin, Trainerin, Moderatorin und Beraterin. Zudem ist sie Obfrau des Vereines „Zukunft Bauernhof“. Kontakt: www.personare.at oder Telefon 0677 62959311.