Michael Spindelegger ist von all seinen Ämtern (ÖVP-Bundesparteiobmann, Vizekanzler und Finanzminister) zurückgetreten. Die Partei einigte sich rasch auf einen neuen Chef, Reinhold Mitterlehner. Er hat auch Rückenwind aus der Steiermark.
Am Dienstag gab Spindelegger bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz um 9.00 Uhr am Vormittag im Finanzministerium überraschend seinen Rücktritt bekannt: „Ich habe mir diesen Schritt lange und gut überlegt. Niemand wird bestreiten, dass Loyalität und Paktfähigkeit mein politisches Leben bestimmt haben. Und das fordere ich von allen ein“, sagte Michael Spindelegger und nahm damit Bezug auf die Debatte um eine Steuerreform, die ihm zuletzt auch sehr viel innerparteiliche Kritik beschert hatte. Er werde sich, so Spindelegger, nicht „hinbiegen“ lassen, Ehrlichkeit gegenüber den Menschen sei ihm wichtig, die Wahrheit sei ihnen zumutbar. Nachsatz: „Eine Steuerreform jetzt ist nur mit neuen Steuern oder Schulden machbar. Dieser Weg ist für mich nicht gangbar.“
Gleich danach wurde in den Medien und in ÖVP-Kreisen intensiv darüber spekuliert, wer dem scheidenden ÖVP-Chef nachfolgen könnte. Als klaren Favoriten hat man fast überall Reinhold Mitterlehner gehandelt.
Rasche Entscheidung
Noch am Abend desselben Tages ging dann alles relativ rasch: In einer informellen Vorbesprechung einigte man sich erwartungsgemäß auf Mitterlehner, im Anschluß daran wurde dieser Vorschlag auch vom ÖVP-Parteivorstand formell abgesegnet. Gleich danach trat der neue ÖVP-Chef vor die Presse, bedankte sich zunächst bei Spindelegger und gab dann gleich die Marschrichtung vor: Zumnächst sei es wichtig, die Ausrichtung für die Zukunft zu machen und Kontinuität im Bereich der Regierung zu gewähren. Dazu gehöre auch, so Mitterlehner, die Frage zu klären wofür die Regierung eigentlich stehe. Diese müsse an Profil gewinnen und es gelte auch, eine gemeinsame Linie in Sachen Steuerreform finden.
In zwei wichtigen Punkten wollte sich Mitterlehner vorerst nicht festlegen. Wer Spindelegger als Finanzminister nachfolgt und ob es Änderungen in der ÖVP-Regierungsmannschaft gibt, soll, hieß es, bis spätestens am 2. September (wenn auch die SPÖ-Regierungsumbildung über die Bühne geht) geklärt sein. Zwei personelle Entscheidungen sind für Mitterlehner aber offenbar bereits gefallen: Der Steirer Reinhold Lopatka soll Klubobmann und Gernot Blümel Generalsekretär bleiben.
ÖVP-Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer erklärte im Interview mit der Kleinen Zeitung, dass er seine Zustimmung zum neuen Obmann nicht davon abhängig mache, ob es im ÖVP-Team ein Regierungsmitglied aus der Steiermark geben werde. Er betonte allerdings in diesem Zusammenhang, dass die steirische ÖVP nach jener in Niederösterreich und Oberösterreich „immer noch stärkste Stimmenbringerin“ sei. Es wäre folglich, so Schützenhöfer, „eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn wir in der Regierung vertreten sind.“
Ämtertrennung
Der steirische Bauernbundobmann und Agrarlandesrat Hans Seitinger plädierte dafür, dass es an der ÖVP-Spitze in Zukunft eine Ämtertrennung geben sollte. Die Doppelrolle als Bundesparteiobmann und Finanzminister reduziere, „die leider ohnedies kurze Halbwertszeit eines ÖVP-Parteiobmannes um noch einmal die Hälfte“. Seitinger nahm auch Bezug darauf, dass der neue ÖVP-Bundesparteiobmann aus der Wirtschaft kommt: „Wirtschaft und Landwirtschaft sind eng miteinander verbunden. Ich bin daher fest überzeugt davon, dass es bei Mitterlehner auch großes Verständnis für die Anliegen der Landwirtschaft geben wird!“
R. Mitterlehner
Reinhold Mitterlehner, geboren am 10. Dezember 1955, ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Seine wichtigsten Karrierestationen:
1980 – 1992: Wirtschaftskammer Oberösterreich
1992 – 2000: Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes
2000 – 2008: Generalsekretär-Stv. der Wirtschaftskammer Österreich
2000 – 2008: Abgeordneter zum Nationalrat
2001 – 2008: Obmann im Wirtschaftsausschuss des Parlamentes
2008 – 2009: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
2009 – 2013: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
2011 – 2014: ÖVP-Bundesparteiobmann-Stellvertreter
Seit Dezember 2013: Minister für Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft
M. Spindelegger
1991 – 2009: Bundesobmann Stv. des ÖAAB
1995 – 1998: Landesobmann Stv. des ÖAAB Niederösterreich
1998 – 2010: Landesobmann des ÖAAB Niederösterreich
2000 – 2007: Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
2000 – 2006: Klubobmann Stv. der ÖVP im Nationalrat
2006 – 2008: Zweiter Präsident des Nationalrates
2008 – 2013: Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
2009 – 2011: Bundesobmann des ÖAAB
2011 – 2014: Vizekanzler
2011 – 2014: Bundesparteiobmann der ÖVP
2013 – 2014: Bundesminister für Finanzen
ÖVP-Obleute
Reinhold Mitterlehner ist der 16. ÖVP-Bundesparteiobmann seit dem Jahr 1945, in den letzten sieben Jahren ist er schon der Vierte. Hier all seine Vorgänger:
Leopold Kunschak: 1945
Leopold Figl 1945: – 1952
Julius Raab 1952: – 1960
Alfons Gorbach: 1960 – 1963
Josef Klaus: 1963 – 1970
Hermann Withalm: 1970 – 1971
Karl Schleinzer: 1971 – 1975
Josef Taus: 1975 – 1979
Alois Mock: 1979 – 1989
Josef Riegler: 1989 – 1991
Erhard Busek: 1991 – 1995
Wolfgang Schüssel: 1995 – 2007
Wilhelm Molterer: 2007 – 2008
Josef Pröll: 2008 – 2011
Michael Spindelegger: 2011 – 2014
Reinhold Mitterlehner: seit 2014