Der Leobener Bergbauer Thomas Rosegger erzählt über seinen mehrfachen Traktorüberschlag. Der Beckengurt war für ihn so etwas wie ein Lebensretter.
NEUES LAND: Vor genau einem Monat hatten Sie beim Gülle-Ausbringen einen schweren Unfall. Sie haben sich mit dem Traktor überschlagen. Wie ist das genau passiert?
Thomas Rosegger: Für Sonntagnachmittag war Regen vorausgesagt. Daher wollte ich am Samstag und Sonntagvormittag auf den Wiesenflächen Gülle ausbringen. Dafür habe ich mir den Traktor vom Nachbarn ausgeliehen. Ich habe zwar für solche Arbeiten selbst einen 145 PS starken John Deere, aber bei meinem Traktor war das Motorsteuergerät kaputt und ein weiterer 90 PS John Deere hat keinen hydraulischen Bremsanschluss. Deswegen kam es zu dieser Entscheidung.
Am Samstag hatte ich die Gülle schon auf der halben Wiese ausgebracht, alles ohne Probleme. In der Nacht hatte es leicht genieselt. Auf meiner Wetterstation zeigte es gerade einmal 0,2 Millimeter Niederschlag an. Für das Befahren rechnete ich mit keinerlei Problemen, denn ich war früher schon öfters nach mehr Niederschlag ausgefahren. Es war dann die erste Fahrt. Ich kam zur Pachtfläche, wo ein ebenes Stück in die Wiese hineinführt. Dann kommt man zu einer steileren Fläche. Genau bei diesem Übergang bin ich ins Rutschen gekommen, und zwar an einer Stelle, wo ich es gar nicht vermutet hätte.
NL: Was ist dann passiert?
Rosegger: Ich habe gemerkt, dass das 6000 Liter-Güllefass zum Schieben anfängt. Ich bemühte mich, vorsichtig zu bremsen und langsamer zu werden, aber in diesem Moment rutschte der Rasen unter den Reifen weg. Jetzt war der Schwung schon zu groß, den Traktor noch rechtzeitig abzubremsen. Es hat mich sofort versetzt, also quergeschoben. Die Bremswirkung konnte sich nicht mehr auf den Boden übertragen, weil ich nur mehr gerutscht bin.
Ich bin dann etwa 100 Meter weit gerutscht, bis eine kleine Unebenheit kam. Aufgrund der immer größer werdenden Geschwindigkeit bin ich förmlich über diese Unebenheit gesprungen. Und weil der Traktor quer stand, während das Fass gerade stand, hat es den Traktor seitlich verkantet und dann gab es den Überschlag.
Gedanken im Kopf
NL: Was denkt man in so einem Augenblick?
Rosegger: In den Momenten des Rutschens überlegt man schon, was man tun soll. Soll man absteigen oder sitzen bleiben und sich festhalten? Man springt mit seinen Gedanken hin und her. Aber dann setzte der Überschlag ein und da erübrigte sich die Entscheidung.
NL: Dachten Sie in diesem Augenblick auch daran, dass Sie angegurtet waren?
Rosegger: Zu dem Zeitpunkt war mir das nicht bewusst. Aber hätte ich mich in diesem Moment überhaupt erst angurten müssen, dann wäre sich das sicher nicht ausgegangen.
NL: Wie oft hat es Sie überschlagen?
Rosegger: Ich habe es nicht mitgekriegt, weil der erste Überschlag dazu führte, dass die Scheiben sprangen. Erde kam in die Kabine und wurde mir förmlich ins Gesicht gespritzt. Ich kann nur erahnen, wie oft es mich überschlagen hat. Vom Gefühl her war es zweimal. Es hat sich dann das Jauchenfass bei den Unterlenkern hinten in den Traktor verkeilt. Erst später bekam ich mit, dass das ganze Gespann aufrecht stand. Zuerst sah ich nichts, weil ich so viel Erde im Gesicht und in den Augen hatte. Ich griff nach dem Gurt und wunderte mich, dass er aufging. Ich war orientierungslos und wusste eigentlich nicht, ob man liegt oder steht.
Als alles vorbei war
NL: Waren Sie nach dem Unfall bei klarem Verstand?
Rosegger: Ich stieg aus, wischte mir den Dreck aus den Augen und probierte den Grundbesitzer, von dem ich die Wiese gepachtet habe und von dem ich wusste, dass er zu Hause ist, anzurufen. Ich merkte, dass ich am Kopf blutete. Mir war wichtig, dass jemand anderer weiß, wo ich bin und dass er die Rettungskette in Gang setzt, weil ich nicht wusste, welche Verletzung ich erlitten hatte und ob ich bewusstlos werden würde. Derweilen der Grundbesitzer den Notarzt verständigte, ging ich zu Fuß zum alten Wirtschaftsgebäude hinauf. Dort warteten wir gemeinsam auf die Rettung.
NL: Wie schwer waren Sie verletzt?
Rosegger: Ich erlitt Gottseidank nur einige Schnittverletzungen durch die zerborstene Scheibe, eigentlich alles relativ harmlos. Es war viel Glück dabei. Ich war dann gerade einmal zwei Stunden im Spital und wurde genäht. Die Verletzungen waren nicht schlimm.
NL: Wie groß beziffern Sie den Schaden?
Rosegger: Am Traktor entstand vermutlich ein Totalschaden. Der Traktor ist vollkaskoversichert, aber wie viel die Versicherung bezahlt, erfahren wir erst. Das ist noch in Bearbeitung.
NL: Wie haben Ihre Familie, Freunde und Bekannten auf diesen Unfall reagiert?
Rosegger: Sie waren schockiert und erschrocken und gleichzeitig froh und erleichtert, dass es so glimpflich ausgegangen ist. Aber es ist schon arg, wie schnell sich so ein Unfall in den sozialen Medien herumspricht.
NL: Verwenden Sie immer, also nicht nur am Tag des Unfalls, den Gurt?
Rosegger: Bei meinen zwei Traktoren daheim war bis jetzt keiner verbaut. An jenem Sonntag habe ich den Gurt deswegen verwendet, weil er einfach da war und man sich bei Schrägfahrten mit einem Gurt nicht so stark abstützen muss. An einen möglichen Unfall hätte ich nicht gedacht, weil ich diese Flächen gut kenne und auch mit dem Unfalltraktor schon einige Fahrten absolviert hatte.
NL: Mit welcher Botschaft gehen Sie aus diesem Unglück hervor?
Rosegger: Zu meinen Berufskollegen, die ähnlich steile Flächen wie ich zu bewirtschaften haben, habe ich schon gesagt, dass sie sicherer sind, wenn sie den Beckengurt verwenden. Ich weiß nicht, wie es bei mir ausgegangen wäre, hätte ich den Gurt nicht verwendet.
NL: Dachten Sie bei Ihrem Unfall ans Sterben?
Rosegger: Ich überlegte nur, wie ich noch zum Stehen kommen könnte.
NL: Schränkt der Gurt, wenn man ihn beim Traktorfahren verwendet, bei der Bedienung und Bewegung ein?
Rosegger: Grundsätzlich nicht. Es ist so wie beim Autofahren. Das dauert zwei Sekunden und schon ist man angegurtet. Mir ist es jetzt nach meinem Unfall umso wichtiger, dass sich vielleicht nun auch andere öfters angurten und eine solche Situation, wie ich sie erlebt habe, im Ernstfall gut überstehen.
Ich möchte mich auf diesem Weg auch noch bei meinen Nachbarn, Freunden, Berufskollegen für die Hilfe und die Hilfsbereitschaft an den Tagen danach bedanken.
Zur Person
Thomas Rosegger (28) ist Vollerwerbsbauer in der Stadtgemeinde Leoben. Sein Biobetrieb liegt auf 760 Meter Seehöhe. Er hat 22 Fleckvieh-Milchkühe und die Nachzucht. Thomas Rosegger ist Absolvent der Fachschule Hafendorf und ein begeisterter Jäger.