Landesrat Hans Seitinger legt unerwartet alle politischen Funktionen zurück. Zehn Jahre lang war er Landesobmann des Bauernbundes. Designierter Nachfolger als Bauernbund-Landesobmann ist LK-Präsident Franz Titschenbacher.
In seiner 20-jährigen Tätigkeit als Landesrat hat Hans Seitinger wohl schon Hunderte Pressekonferenzen gegeben und Tausende Ansprachen gehalten. Jene am 5. Oktober 2023 war wohl seine schwerste. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz gab Seitinger, unterstützt von Landesparteiobmann Landeshauptmann Christopher Drexler, seinen Abschied aus der Politik bekannt. Nach einem herzlichen „Grüß Gott“ kam er gleich zur Sache: „Es geht um sehr viel in diesem Land und um mich. Seit vier Monaten führe ich einen Kampf um meine Gesundheit und dieser Kampf ist nicht einfach, kann aber auch gewonnen werden und verlangt, dass ich Prioritäten setze. So habe ich unseren sehr geschätzten Landeshauptmann und Parteiobmann gebeten, mich von der Verantwortung als Landesrat zu entbinden.“
Prioritäten gesetzt
Die Entscheidung zu diesem schwerwiegenden Schritt ist sehr kurzfristig gefallen. Das sah man in den Gesichtern all seiner Büromitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die erst kurz davon informiert worden waren. Und das sah man auch beim Landeshauptmann. „Ich habe in einem außergewöhnlich guten Gespräch Christopher Drexler von meiner Entscheidung informiert“, erklärte Seitinger und fügte an: „Der Landeshauptmann hat meine Prioritäten akzeptiert und zeigt volles Verständnis für meinen Schritt.“ Dann seine Ankündigung: „Ich werde all meine Funktionen in den nächsten Tagen zurücklegen und konzentriere mich darauf, wieder gesund zu werden.“
Der scheidende Landesrat nützte aber auch die Möglichkeit, sich bei seinen politischen Förderern zu bedanken. „Das ist Waltraud Klasnic, die mich vor 20 Jahren in die Regierung geholt hat. Das ist Hermann Schützenhöfer, dem ich sehr lange in seinem Team unterstützen durfte und das ist Christopher Drexler, der mir sein uneingeschränktes Vertrauen geschenkt hat.“
Politische Erfolge
Dann ging Seitinger kurz auf für ihn markante Erfolge seiner landespolitischen Arbeit ein. Dazu zählte er den Bau des großen Wassernetzwerkes Steiermark. „Das ist aber für alle kaum sichtbar und konnte nur dank einer großartigen Teamarbeit gelingen.“ Auch den Einsatz des Baustoffes Holz vor allem im Wohnbau bezeichnete er als bedeutenden Erfolg. Weiters zeigte er sich darüber erfreut, dass es unter seiner politischen Verantwortung gelungen sei, den Müll zu einem wertvollen Industrierohstoff zu machen. Und er hob seine Arbeit als Agrarlandesrat hervor. „Da waren mir die Bildungs- und Beratungseinrichtungen immer sehr wichtig.“ Und er bedankte sich explizit bei allen Bäuerinnen und Bäuerinnen: „Sie haben die Steiermark zum Land der Kulinarik gemacht und sorgen für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung.“ Dazu merkte er an: „In der Coronazeit hat es dank unserer Bauern und Bäuerinnen keine leeren Regale gegeben!“
Wie rasch die schwere Krankheit ihn ergriffen haben muss, erkannte man auch an seinen Worten: „Ich hatte mir für die nächsten Jahre noch so viel vorgenommen – von der Belebung der Ortskerne bis hin zu einer nachhaltigen Klima- und Bodenpolitik. Ich wollte mithelfen, in die Bevölkerung wieder mehr Vertrauen und Zuversicht, statt Missmut zu tragen.“ Und er ging auf zwei Begriffe ein, die ihm als Politiker immer wichtig waren, aber die vielerorts verloren gegangen sind: Handschlag und Hausverstand.
Dankesworte
Ihm verschlug es die Stimme, als er mit dem Danken begann. Dieser Dank richtete sich an seine Mitarbeiter, Regierungskollegen, Klubobleute, an die Abgeordneten, Bürgermeister und Bezirkshautleute und viele andere mehr. Besonders herzlich fiel sein Dank an die Ärzte aus: „Wir haben großartige Ärzte in unserem Land, reden wir ihre Leistungen nicht klein, das habe ich als Hans Seitinger und nicht als VIP erfahren.“ Sein persönlicher Dank galt auch seinen beiden Chauffeuren, mit denen er in den letzten 20 Jahren 2,5 Millionen Kilometer unfallfrei zurückgelegt hatte. Und seiner Familie, „die auf so vieles verzichten musste.“ Zum Schluss sagte er: „Fürchtet euch nicht, ich gehe davon aus, dass sich die Welt auch ohne Hans Seitinger in der Regierung weiterdrehen wird. Danke für 20 Jahre, die ich mit großem Herzen diesem Land dienen durfte!“
Drexlers Erinnerung
Landeshauptmann Drexler erinnerte einleitend daran, dass er am 1. Mai 2003 Hans Seitinger bei einer 1. Mai-Veranstaltung in dessen Funktion als Bürgermeister von Frauenberg kennenlernen durfte und dass er, Drexler, am 30. September 2003 in seiner damaligen Rolle als VP-Klubobmann die Ehre gehabt habe, Hans Seitinger dem Steiermärkischen Landtag als neues Regierungsmitglied vorstellen zu dürfen. Er strich die Qualitäten seines nun scheidenden Regierungskollegen hervor: „Er war von Pflichtbewusstsein und Bodenhaftigkeit getragen. Den Hausverstand hat er immer in seinem Gepäck gehabt. Und er hatte eine unglaubliche Sensorik für die Probleme der Menschen und war immer ein Kämpfer für die Bauern und Bäuerinnen, für die Steirer und Steirerinnen, für den Bauernbund und die Steirische Volkspartei. Er war, ist und bleibt ein Kämpfer, vor allem jetzt, wenn es darum geht, wieder gesund zu werden.“ Und Drexler schloss tief gerührt: „Danke für deine Freundschaft, Unterstützung und Loyalität und für die letzten 15 Monaten, wo ich täglich gespürt habe, dass ich mit dir eine große Stütze habe.“
Einen Tag später besprach Hans Seitinger auch im Bauernbund-Präsidium und Landesvorstand die aktuelle Lage und kündigt an, dass er beim Landesbauernrat am 14. Oktober seine Funktion als Landesobmann des Steirischen Bauernbundes zurücklegen werde. In der Sitzung wurde Präsident Franz Titschenbacher als sein Nachfolger nominiert. Die Wahl erfolgt im Zuge des Landesbauernrats. Vor zehn Jahren war Hans Seitinger als Nachfolger von Gerhard Wlodkowski zum Landesobmann des Bauernbundes gewählt worden. Diese Funktion hat Seitinger stets mit viel Herzblut und großem Einsatz ausgeübt und dabei immer auch zum Zusammenhalten innerhalb der Bauernschaft aufgerufen.
Mit der Landtagssitzung am kommenden Dienstag endet seine jahrzehntelange Tätigkeit als Kommunal- und Landespolitiker. Von 1999 bis 2003 war er Bürgermeister der Gemeinde Frauenberg (vorher schon fünf Jahre Vizebürgermeister). Im Jahr 2003 wurde er als Nachfolger von Erich Pöltl Landesrat für die Ressorts Land- und Forstwirtschaft, Wasser- und Ressourcenwirtschaft sowie Wohnbau. 2015 fiel auch das landwirtschaftliche Schulwesen in seinen Zuständigkeitsbereich.
Hans Seitinger diente unter vier Landeshauptleuten (Waltraud Klasnic, Franz Voves, Hermann Schützenhöfer und Christopher Drexler). In seiner Ära verhandelte er mit sechs Landwirtschaftsministern (Josef Pröll, Nikolaus Berlakovich, Andrä Rupprechter, Elisabeth Köstinger, Maria Patek und Norbert Totschnig). Mit mehr als 20 Jahren ist er derzeit das längst dienende Regierungsmitglied in Österreich.