Ariane Pfleger, Vorstandsdirektorin der RLB Steiermark, über die Kraft der Gemeinschaft und die Belebung des ländlichen Raumes.
NEUES LAND: Was bringt die Zukunft im Bankgeschäft?
Ariane Pfleger: Wir leben in einer Zeit großer Veränderungen – auf unterschiedlichen Ebenen. Als Bank sind wir mit einem stark veränderten Kundenverhalten konfrontiert. Der Kunde kommt immer weniger an den Bankschalter, sondern nutzt digitale Services. Bereits 98 Prozent der Kontobewegungen werden bei Raiffeisen digital beauftragt. Zudem erleben Banken verschärfte Rahmenbedingungen – siehe das Niedrigzinsumfeld – ein hohes Maß an Regulatorik sowie neue Mitbewerber wie Fintechs. Dazu kommen die Megathemen Klimawandel und Nachhaltigkeit. Um all diesen Herausforderungen zu begegnen und auch in Zukunft für unsere Kunden attraktiv zu sein, müssen wir uns verändern und uns weiterentwickeln.
NL: Inwiefern?
Pfleger: Die RLB Steiermark ist weit über 90 Jahre alt, sie wurde 1927 gegründet. Transformation und Veränderungsbereitschaft sind der Bank innewohnende Prinzipien, sonst würde es uns ja schon lange nicht mehr geben. Neu ist aber das Tempo der Veränderungen. Raiffeisen hat sich daher Transformation auf die Fahnen geheftet. Wir wollen damit dem raschen Wandel im Bankengeschäft und in den Lebensbereichen unserer Kunden Rechnung tragen und die gesamthafte Entwicklung vorantreiben. Raiffeisen betrachtet in diesem Kontext nachhaltige Transformation als fruchtbares Zusammenspiel von Umwelt, Mensch und Wirtschaft.
NL: Können Unternehmen alleine Innovation und in weiterer Folge eine Transformation schaffen?
Pfleger: Wir alle müssen künftig die Kunden mit ihren Bedürfnissen noch stärker im Fokus haben, um Unternehmen gesamthaft weiterzuentwickeln. Transformation ist kein Selbstzweck und sieht die Organisation als gesamtes. Es beginnt bei der Einstellung und Haltung jedes Einzelnen im Unternehmen, geht quer über Prozesse bis zu konkreten Produkten und Leistungen. Innovativ kann nur sein, wer den Blick über den Tellerrand wagt, sich neue Technologien anschaut und neue Geschäftsmodelle andenkt – also zukunftsorientiert und mutig zu agiert. In unserem konkreten Fall denken wir von der Bank ein wenig weg. Denn als Raiffeisen Steiermark verfügen wir aufgrund unserer historischen Verbundenheit mit der Region sowie dem daraus resultierendem Know-how unserer Mitarbeiter über das notwendige Verständnis für Anliegen und Fragen von unseren Kunden.
NL: Wurde deshalb der aktuelle Raiffeisen-Slogan „WIR macht‘s möglich“ kreiert, um den Zusammenhalt in Gesellschaft und Wirtschaft wieder zu stärken?
Pfleger: Raiffeisen ist getragen vom Wir-Gefühl, und zwar krisenunabhängig. Bei uns ist diese Wir-Kultur seit jeher stark verankert und wir glauben, dass es in Zeiten wie diesen umso wichtiger ist, auf dieses Wir einzuzahlen und gemeinsam voranzuschreiten. Bei Raiffeisen sind wir von diesem Gedanken überzeugt. Wir sind füreinander da, wir sind solidarisch und sind felsenfest davon überzeugt, dass nur dieses Wir die Kraft entfalten kann, die man braucht, um große Dinge umzusetzen. Die Kraft der Gemeinschaft macht‘s möglich. Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch unsere Kundinnen und Kunden. Raiffeisen Steiermark beschäftigt sich gerade und seit jeher intensiv mit der Frage, wie wir den ländlichen Raum weiter stärken und beleben können. Dafür holen wir viel Input aus dem gesamten steirischen Raiffeisen-Bankensektor ein und generieren Ideen. Denn unsere Mitarbeiter und ihre Kunden kennen ihr Lebensumfeld am besten und wissen, was es für eine Belebung braucht.
NL: Innovation versus Tradition: Braucht es dafür einen Paradigmenwechsel in Unternehmen?
Pfleger: In Innovation sehe ich keinen Widerspruch zur Tradition. Denn Tradition bedeutet für uns gelebte Werte – diese bilden das Fundament, auf denen wir fußen. Diese Werte wollen wir nicht verändern, sondern sie zeitgemäß interpretieren. Basis für Veränderungen ist eine Innovationskultur, die bei Raiffeisen Steiermark bereits sehr ausgeprägt ist und die wir nun bewusst stärken. Konkret mit unseren Innovationsprogrammen, die wir bereits initiiert haben. So haben wir etwa in der RLB Steiermark die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuletzt über eine Plattform zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen – mit einer unglaublichen Mitarbeiterbeteiligung. Innerhalb von zwei Wochen konnten wir über 160 Ideen generieren – speziell aus dem Bereich Zukunftsbanking/junges Banking. Wir sind davon überzeugt, dass die Kraft der Gemeinschaft am meisten für einen selbst und die Gesellschaft bewegen kann.
NL: Sind vor diesem Hintergrund neue Geschäftsmodelle bei Raiffeisen geplant?
Pfleger: Wir halten die Augen in alle Richtungen offen. Daher forcieren wir auch Kooperationen mit Universitäten und Start-ups. So sind wir etwa am Unicorn der Uni Graz vertreten und haben dadurch einen direkten Zugang zur Start-up-Szene. In Kooperation mit Techhouse unterstützen wir ein Accelerator-Programm am Unicorn – ein tolles Projekt, das beweist, was für ein lebendiger Start-up-Hotspot die Steiermark mittlerweile ist. Mit der Raiffeisen Taten-Bank haben wir zudem eine Plattform geschaffen, die Start-ups finanziert sowie mit Experten, Investoren und Kooperationspartnern vernetzt. Und natürlich denken wir auch stets weiter in Richtung neuer Geschäftsmodelle – Stichwort Beyond Banking. Es geht um die Frage: Was können wir über das klassische Banking hinaus anbieten, um einen Mehrwert zu schaffen.
NL: Bei aller Transformation – was wird vom Spirit des Gründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen bleiben?
Pfleger: Den Kern bilden unsere Werte wie Kooperation, Solidarität und Regionalität. Im Zentrum steht die Kraft, die aus der Vielfalt und der Gemeinschaft kommt. Darum ging es unserem Gründer von Anfang an. Daher betonen wir ja immer wieder, dass Friedrich Wilhelm Raiffeisen der erste Crowd-Sourcer der Geschichte war. Unser Credo ist bis heute ungebrochen, dass jede Idee finanzierbar sein sollte – stets im Interesse des Kunden. Denn Transformation und Innovation sind kein Selbstzweck, sondern haben einzig das Ziel, dass wir für unsere Kunden dauerhaft attraktiv bleiben und ihnen das anbieten können, was sie brauchen. Wir sind also Nahversorger und Teil der heimischen Wirtschaft.
NL: Mit welchen Strategien begegnet Raiffeisen diesem Strukturwandel schon jetzt?
Pfleger: Wir werden unsere Positionierung als ‚Digitale Regionalbank‘ weiter forcieren und neue digitale Services auf den Markt bringen wie etwa eine neue Plattform für Unternehmer im ersten Halbjahr 2023. Zudem stellen wir das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus. Immer in Betrachtung der Aspekte Wirtschaft, Umwelt, Mensch. Unser Anspruch ist es, nicht nur die regulatorischen Anforderungen professionell zu erfüllen. Wir wollen vielmehr weiterhin eine führende Rolle in der Steiermark einnehmen, um das Bundesland mit den Menschen und der Wirtschaft gemeinsam nachhaltiger in allen Facetten zu machen.
BU:
RLB-Vorstandsdirektorin Ariane Pfleger: „Den Kern bilden unsere Werte wie Kooperation, Solidarität und Regionalität. Im Zentrum steht die Kraft, die aus der Vielfalt und der Gemeinschaft kommt.“
Zur Person
- Ariane Sophie Pfleger wurde 1979 in Wagna geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz erfolgte der Eintritt in die Raiffeisen-Landesbank Steiermark AG im Jahr 2006.
- Seit 2016 ist Pfleger Prokuristin der RLB Steiermark und seit Oktober 2020 Vorstandsdirektorin für das neu geschaffene Ressort „Transformation“ mit den Bereichen Unternehmensentwicklung, Nachhaltigkeit & Digitalisierung, Personalmanagement, Transaction Services, Bau & Infrastruktur.
Beitragsfoto: RLB Steiermark/Kanizaj