RWA-Agrar-Bereichsleiter Andreas Jirkowsky über die heurige Maisernte, hohe Trocknungskosten und die Preisralley am Markt.
NEUES LAND: Nun geht auch in der Steiermark die Maisernte in die finale Phase. Können Sie als Bereichsleiter der Sparte Landwirtschaftliche Erzeugnisse in der Raiffeisen Ware Austria bereits eine Erntebilanz ziehen?
Andreas Jirkowsky: Die Maisernte hat in diesem Jahr später als in den Vorjahren begonnen und ist noch im Laufen – für eine Bilanz ist es daher etwas zu früh. Die Maisernte 2022 wird aber in Österreich sehr heterogen ausfallen. Es gibt einerseits Regionen mit guten, stabilen Erträgen und andererseits Regionen mit Ernteeinbußen auf Grund der Hitzewelle im Juli. Geografisch gesehen hatten die Gebiete in West-Österreich genug Regen, in den östlichen Regionen war es hingegen für den Mais vielerorts zu trocken.
NL: Also haben diese Trockenperioden die Maisbestände teilweise schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sind die daraus resultierenden Schäden hoch?
Jirkowsky: Die Trockenheit führt zu weniger Ernte. Laut der veröffentlichten Schätzung der Agrarmarkt Austria wird die Maisernte in Österreich mit insgesamt 2,11 Millionen Tonnen heuer um rund zwölf Prozent niedriger als im Vorjahr ausfallen. Der Rückgang der Anbaufläche von Mais um rund einem Prozent wirkt sich dabei nur geringfügig aus.
NL: Hohe Feuchtigkeitsgehalte und ebenso hohe Trocknungskosten belasten sowohl Bauern als auch die RWA. Wie geht man mit dieser Situation in Anbetracht der Energiekrise um?
Jirkowsky: Die Kosten für die Trocknung steigen aufgrund der Energiepreise für alle wesentlichen Energieträger wie etwa Gas oder Heizöl deutlich an. Das führt zu einer erheblichen Mehrbelastung nicht nur bei den Ausgaben für die Trocknung, sondern auch zum Beispiel bei den Kosten für die Logistik. Das kann zum Teil über die höheren Erzeugerpreise ausgeglichen werden. Um hier die Aufwendungen etwas zu reduzieren, nutzen einige landwirtschaftliche Betriebe den natürlichen Trocknungseffekt beim Mais und lassen ihn länger am Feld stehen.
NL: Die aktuellen – also sehr hohen – Maispreise lösen in vielen Bereichen Verwunderung aus. Wie können Sie diese Situation erklären?
Jirkowsky: Die Marktpreise ergeben sich aus Angebot und Nachfrage. Derzeit werden die Preise durch den Konflikt in der Ukraine befeuert – die Ukraine war und ist nach wie vor ein wichtiger Mais-Lieferant für die EU. Zusätzlich fallen die Ernten in Südost-Europa – also in Ungarn, Kroatien und Rumänien – in diesem Jahr auf Grund der Trockenheit teilweise sehr niedrig aus. Weltweit gesehen liegt die Verbrauchsmenge von Mais seit rund fünf Jahren über der Produktionsmenge. Das bedeutet, dass die Maisbestände international rückläufig sind. Die hohe Nachfrage auf der Bedarfsseite und das durch Krieg und Klima reduzierte Angebot führen zu den aktuell hohen Preisen.
NL: Sie sind im RWA-Konzern für die Vermarktung von jährlich rund drei Millionen Tonnen Getreide, Futtermittel und Ölsaaten verantwortlich. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aufgrund der hohen Rohstoff und Energiekosten?
Jirkowsky: Wir sehen es als unseren Auftrag, die bestmögliche Vermarktung von Getreide und Ölsaaten für die mit uns verbundenen Genossenschaften und deren Mitglieder zu erreichen. In der aktuellen Situation mit den hohen Schwankungen bei den Preisen raten wir mehr denn je zur Vermarktung im Rahmen des Lagerhaus-Pools. Hier liegen die Vorteile auf der Hand: die Vermarktung erfolgt durch professionelle Händler. Preisspitzen nach oben und nach unten können ausgeglichen werden. Dadurch kann über die gesamte Vermarktungsperiode ein guter Durchschnittspreis erzielt werden. Und wichtig für die landwirtschaftlichen Betriebe, sie erhalten eine Akontozahlung und können damit ihre Liquidität sichern.
NL: Auch bei Soja und im Getreidebereich gibt es weit höhere Preise als zuletzt. Wird sich diese Situation in nächster Zeit ändern?
Jirkowsky: Es trifft zu, dass die Preise bei allen Getreide- und Ölsaatsorten im historischen Vergleich aktuell hoch sind. Seriöse Prognosen für die weitere Entwicklung kann aufgrund des volatilen Umfelds derzeit niemand geben.
NL: Wie hat sich die Bioanbaufläche im Vergleich zum letzten Jahr verändert?
Jirkowsky: In Österreich werden rund 20 Prozent der Agrarfläche biologisch bewirtschaftet. Da kam es zu keinen wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Vorjahr.
NL: Wagen Sie einen Marktausblick für den Mais- und Getreidesektor?
Jirkowsky: Wie bereits erwähnt kann derzeit niemand seriöse Prognosen abgeben. Die weitere Entwicklung im Getreidesektor hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Zunächst einmal von der Situation in der Ukraine, von der gesamtwirtschaftlichen Situation in Europa, von der Zins- und Inflationsentwicklung, vom Währungsverhältnis EURO und US-Dollar und von der weiteren Entwicklung von Angebot und Nachfrage.
Zur Person
- Andreas Jirkowsky startete seine Karriere im Mühlengeschäft.
- Hier war er rund 24 Jahre erfolgreich aktiv.
- Im Jahr 2012 wechselte er in den RWA-Konzern, wo er mehrere Tochterunternehmen in Ost- und Südosteuropa erfolgreich leitete.
- Zuletzt war er als Geschäftsführer der RWA Raiffeisen Agro Romania aktiv.
- Nun ist er RWA-Bereichsleiter für landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Beitragsfoto: Karl Schrotter