RLB-Vorstand Rainer Stelzer im Interview über steigende Zinsen und Inflation, finanzielle Mehrbelastungen und wie man richtig reagiert.
NEUES LAND: Im Finanzbereich sehen wir Szenarien, die es viele Jahre nicht mehr gegeben hat. Unter anderem steigende Zinsen. Wie sehen Sie bei Raiffeisen diese Entwicklung?
Rainer Stelzer: Das ist richtig. Die Zinsen steigen und wir gehen davon aus, dass dieser Trend noch einige Zeit anhalten wird. Wie stark die Sparzinsen künftig noch steigen werden, hängt von den weiteren Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank – kurz EZB – ab. Derzeit liegen die täglich verfügbaren Spareinlagen noch bei 1/8 Prozent, bei einer längeren Bindung in Richtung 1,5 Prozent. In absehbarer Zeit werden wir aber wohl deutlich darüber liegen. Allerdings ist es auch so, dass die Inflation deutlich höher liegt und somit die Kaufkraft des Ersparten geringer wird.
NL: Was kann man als Kunde in dieser Situation tun?
Stelzer: Es ist wichtig, auch Veranlagungsformen mit höherer Verzinsung ins Auge zu fassen. Aus unserer Erfahrung ist Onlinesparen für den sogenannten Notgroschen immer sinnvoll, dieser sollte zumindest zwei bis drei Monatsgehälter betragen. Weiterhin interessant sind Anleihen. Aktuell bieten wir etwa in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark eine dreijährige Anleihe mit einer Fixverzinsung von drei Prozent jährlich an. Darüber hinaus sind Nachhaltigkeits-Fonds sehr beliebt. Sie bieten die Chance auf höhere Erträge und fördern gleichzeitig nachhaltige Unternehmen. In jedem Fall ist es wichtig, für ein persönliches Gespräch in die Bank zu kommen, um gemeinsam mit den Beraterinnen und Beratern im Rahmen einer Finanzanalyse eine passende Lösung zu finden.
NL: Wenn es jedoch – wie bei vielen Menschen – eher darum geht, ob man sich Sparen überhaupt noch leisten kann?
Stelzer: Wir haben den Herbst und speziell die Raiffeisen Oktober-Gespräche unter das Motto „Sicher durch bewegte Zeiten“ gestellt. Dafür haben wir ein Maßnahmenpaket für Privat- sowie Firmenkunden geschnürt. Es soll die Teuerung und kommende Energie-Nachzahlungen, die für Teile der Bevölkerung und Wirtschaft sehr herausfordernd sind, das steigende Zinsniveau sowie die Volatilität auf den Kapitalmärkten abfedern. Die Erfahrung zeigt, dass viele finanzielle Herausforderungen lösbar sind, wenn sie rechtzeitig und eingehend besprochen werden. Mit mehr als 1500 Beraterinnen und Beratern haben wir die Kompetenz und auch die Kraft, jede und jeden einzelnen Raiffeisenkunden, der das möchte, in einer unserer mehr als 200 Bankstellen zu begleiten.
NL: Welche konkreten Maßnahmen umfasst dieses Paket? Können Sie uns ein Beispiel geben?
Stelzer: Gerne. Im Rahmen der „Finanz-Checks“ erfolgt eine Aktualisierung der eigenen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als wichtigste Basis für alle weiteren Geldthemen. In Folge werden mögliche Einsparungen bei den Ausgaben analysiert oder auch etwaige finanzielle Engpässe, etwa durch Energie-Nachzahlungen. Betrachtet werden die bestehenden finanziellen Reserven und wie man damit am besten haushalten kann. Im Idealfall folgt ein Plan, wie Reserven zumindest mittelfristig wieder aufgebaut werden können. Wir haben uns bei Raiffeisen Steiermark bis Jahresende auf 300.000 solcher Finanz-Checks vorbereitet. Allein seit dem Start der Initiative Mitte September haben 120.000 Gespräche stattgefunden.
NL: Stichwort Einnahmen – Ausgaben. Es gelten neue Kriterien für die Kreditvergabe. Hat das Auswirkungen?
Stelzer: Ja, die Auswirkungen sind deutlich zu sehen. Wenn wir als Vergleichszeitraum die Monate August und September des Vorjahres betrachten, wurden heuer in Summe deutlich weniger Finanzierungen abgeschlossen. Das liegt an der Kombination aus vier Faktoren: Teuerungswelle beziehungsweise Inflation, Zinsanstieg, hohe Baukosten und eben an der neuen Kreditvergaberichtlinie für Banken. Im Gegensatz zur gesunkenen Zahl sind die Volumina der Finanzierungen aufgrund der höheren Baukosten gestiegen. Im September betrug ein Wohnbaukredit durchschnittlich 170.000 Euro. Das sind um sechs Prozent mehr als im Vergleich zum September 2021. Die Regelung trifft vor allem jüngere Leute, die sich ein Eigenheim schaffen wollen und das wird vielen von ihnen nun deutlich erschwert. Daher ist es nun umso wichtiger, früh genug in die Bank zu kommen, um gemeinsam mit der Beraterin oder dem Berater im Rahmen der Finanzanalyse eine Lösung zu finden, damit zum Beispiel rechtzeitig Eigenmittel für das Eigenheim gebildet werden können.
NL: Vor enormen Herausforderungen steht auch die heimische Landwirtschaft. Wie soll man als Betroffener reagieren?
Stelzer: Landwirte spüren neben dem Personalmangel und der Lieferkettenproblematik vor allem die Teuerung, die sich in den Kalkulationen niederschlägt. Auch steigende Energie- und Rohstoffpreise wirken sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette aus. Darum ist es auch für sie so wichtig, früh genug Szenarien zu erstellen und sich Lösungsansätze zurechtzulegen. Als regional verankerte Bank ist es uns seit jeher ein Anliegen, Bäuerinnen und Bauern bestmöglich zu begleiten. Daher freuen wir uns, dass acht von zehn steirischen landwirtschaftlichen Betrieben dieses Angebot annehmen und Raiffeisen vertrauen. Wir stellen ihnen die richtigen Fragen, um gemeinsam mit ihnen Zusammenhänge transparent zu machen und passende Maßnahmen einzuleiten. Je genauer Risiken identifiziert werden, desto zielgerichteter kann man agieren. Das gilt für Investitionen wie für Betriebsübernahmen. Außerdem haben wir viel Wissen und Erfahrung in allen Förderfragen aufgebaut – auch das hilft, viel Geld zu sparen. Aus all dem entsteht echter Mehrwert: für eine nachhaltige Landwirtschaft, für junge Unternehmer und natürlich auch für alle Konsumenten.
Zur Person:
- Rainer Stelzer ist seit 2012 Vorstandsdirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark.
- Er verantwortet die Bereiche Firmen- und Privatkunden sowie weitere Produkteinheiten. Stelzer wird unter anderem das sektorweite Zukunftsmodell „Digitale Regionalbank“ fortsetzen und dabei digitale Kundenlösungen sowie die weitere Professionalisierung der persönlichen Kundenberatung forcieren.
- Stelzer lebt in Graz, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Beitragsfoto: RLB Steiermark/Kanizaj