Bald auch leere Ordinationen?

von Karl Brodschneider

Schon bald drohen Engpässe bei der medizinischen Versorgung auf dem Land. In der Steiermark gehen innerhalb der nächsten zehn Jahre zwei Drittel aller Landärzte in Pension.

Zuerst waren es die Greißler, die zusperrten. Dann verloren viele Pfarrhöfe angesichts des eklatanten Priestermangels ihren Nutzungszweck. Es folgte die Schließung von Postämtern und Polizeiposten und jetzt droht dem ländlichen Raum der nächste Tiefschlag. Vielen Gemeindebewohnern könnte ihr örtlich ansässiger Hausarzt abhanden kommen.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden in der Steiermark zwei Drittel aller Landärzte in Pension gehen. Dass alle Ordinationen bleiben, ist unwahrscheinlich. „Schon jetzt wird es in der Steiermark immer schwieriger, periphere Planstellen zu besetzen“, sagt Ärztekammer-Vizepräsident Jörg Garzarolli, zugleich Obmann der niedergelassenen Ärzte in der Steiermark. „Jeder, der eine Ordination eröffnet, braucht ein Hinterland. Wenn das abbröckelt, geht es nicht mehr“, spielt er auf die Bevölkerungsabwanderungen in manchen Teilen des Landes an. „Vor allem im Raum Eisenerz und Mürzzuschlag gibt es dramatische Entwicklungen.“

Freizeit muss passen

Das allein ist es aber nicht. Gar-zarolli nimmt das Wort „Work-Life-Balance“ in den Mund und meint die Relation von Arbeits- zu Freizeit sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben. Vor allem bei jungen Ärzten spielt das eine große Rolle. Die Vergabekriterien der Gebietskrankenkasse trügen, so Garzarolli, das Ihre dazu bei, dass Landarztstellen immer schwieriger zu bestellen seien. Der administrative Aufwand wird immer größer. Zudem sehen sich die Ärzte immer mehr gesetzlichen Bestimmungen gegenüber. Auch die Diskussion rund um die Hausapotheken und die noch ungeklärte Frage, ob man eine solche auch in Zukunft führen kann, spielt mit hinein.

Dem Umstand, dass man als ausgebildeter Allgemeinmediziner noch lange nicht den Erfahrungsschatz eines Landarztes hat, könnte man mit einer Ausbildung in einer Lehrpraxis entgegenwirken. Doch dafür gibt es seitens des Gesundheitsministeriums zu geringe (finanzielle) Unterstützung. Wenn ein Landarzt eine Lehrpraxis betreibt, muss er für die Ausbildung eines Jungmediziners ordentlich dazuzahlen. „So viele Idealisten gibt es aber nicht“, bedauert Garzarolli.

Thema im Gemeinderat

Eigentlich müsste der drohende Engpass bei der medizinischen Versorgung auf dem Land auch die Bürgermeister wachrütteln. In einigen Gebieten ist das schon der Fall. So auch in Gasen. Dort hat man zwar einen Landarzt. Trotzdem beschloss der Gemeinderat auf Antrag von Bürgermeister Erwin Gruber, die Aktion der Österreichischen Ärztekammer „Die ärztliche Versorgung sichern“ zu unterstützen.

 

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Auf dem Land besteht ein großes Vertrauen zum örtlichen Hausarzt. Foto: fotolia.com

Landärzte

Als Landarzt definiert die Standesvertretung einen Arzt für Allgemeinmedizin mit allen Kassen, der in einer Gemeinde mit höchstens 3000 Einwohnern tätig ist oder der als einer von maximal zwei Kassen-Allgemeinmedizinern in einem Ort eine Ordination betreibt. Derzeit gibt es in der Steiermark 371 Landärzte. Davon sind 244 Ärzte 55 Jahre und älter. Das heißt, dass in der Steiermark in den nächsten zehn Jahren rund zwei Drittel aller Landärzte in den Ruhestand treten werden. Ob Jungmediziner alle frei werdenden Stellen besetzen werden, ist fraglich, denn ein Arzt-Leben auf dem Land ist für viele nicht erstrebenswert. Schon jetzt sind zahlreiche Turnusstellen in Krankenhäusern im ländlichen Raum frei, während für Ausbildungsstellen in urbanen Zen­tralräumen lange Wartezeiten in Kauf genommen werden.

Doktor „Nesti“

Ernst Salmhofer aus Bad Gams ist der Typ eines Landarztes, bei dessen Beschreibung man Klischees strapazieren würde, um zu erkennen, dass sie bei ihm alle zutreffen. Vor 28 Jahren übernahm der heute 55-jährige Mediziner die Ordination seines Vaters. Sein Berufswunsch war schon von Kindheit an, ein Landarzt zu werden. „Ich wollte immer mit Menschen, Tieren und der Natur zu tun haben“, gibt er sich im Gespräch mit NEUES LAND sehr offen.

Wie stark er in der Bevölkerung von Bad Gams verwurzelt ist, beweist sein Spitzname. Jung und Alt sagen zu ihm „Nesti“ (ein Spitzname aus seiner Kindheit) und nicht „Dr. Salmhofer“. Im Vereinsleben ist er Mitglied der Feuerwehr und des Kameradschaftsbundes. Außerdem ist er ein begeisterter Jäger und Mitglied der Jagdgesellschaft Bad Gams.

Für den dreifachen Familienvater ist das Landarzt-Sein nicht bloß ein Beruf. „Wenn einer nicht Bauer werden will, wird er nicht Bauer. Wenn man nicht die Neigung und Begeisterung für den Beruf des Landarztes hat, wird man diese Tätigkeit nicht anstreben.“

„Doktor Nesti“ verwendet in seiner Selbstbeschreibung den Begriff „Landbader“ und gesteht glaubwürdig: „Ich würde es sicher wieder machen!“

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Ernst Salmhofer sieht sich als „Landbader“ von Bad Gams. Foto: Brodschneider

 Für Vernetzung

Als der gebürtige Feldkirchener Friedrich Ritter vor 20 Jahren die Landarztstelle in Gasen übernahm, spielten bei seiner Berufsentscheidung auch die Tätigkeit als Distriktsarzt und das Führen einer Hausapotheke zwei wichtige Rollen. Trotzdem war er überrascht, was ihn dann noch alles erwartete: „Vorher war ich Gehaltsempfänger und hatte keine Ahnung, welche zusätzliche Arbeit und Bestimmungen auf mich als Selbständiger zukommen würden.“

Für Friedrich Ritter ist die Vernetzung der praktischen Ärzte, Fach- und Krankenhaus-ärzte ein Gebot der Stunde. Einerseits, um die Primärversorgung rund um die Uhr sicherzustellen und für den Patienten Überweisungstermine besser koordinieren zu können. Andererseits, um leichter eine Vertretung zu bekommen und Bereitschaftsdienste besser aufteilen zu können.

Eine solche Zusammenarbeit bietet der Ärzteverbund „styriamed.net“. Friedrich Ritter steht dem regionalen Verbund Weiz als Obmann vor. Derzeit kommt diese Initiative der Ärztekammer Steiermark in den fünf Bezirken Hartberg-Fürstenfeld, Leibnitz, Leo-ben, Bruck-Mürzzuschlag und Weiz zum Einsatz. Ziel ist es, das Konzept auf die ganze Steiermark auszuweiten.

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Friedrich Ritter ist seit 20 Jahren Arzt in Gasen. Foto: Brodschneider

 

 

 

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