Apothekerkammer-Präsident Gerhard Kobinger über die alarmierende Quote an Grippeimpfungen und andere brisante Arznei-Themen.
NEUES LAND: So früh und so heftig hat uns die Grippewelle schon lange nicht mehr erwischt. Was lernen wir daraus?
Gerhard Kobinger: Vor allem, dass die Impfquote in Österreich außergewöhnlich schlecht ist – mit nur noch sechs Prozent sind wir in Europa leider das Schlusslicht.
NL: Und warum ist das so?
Kobinger: Es geht bei uns eine große Impfskepsis um. In einer Umfrage hat sich rund ein Viertel der Menschen vor allem zur Angst vor Nebenwirkungen bekannt. Dabei sind diese bei einer Grippe-Impfung sehr selten und sehr milde. Es gibt aber diesbezüglich leider eine ganz komische Stimmungsmache.
NL: Wie sieht es denn um die Gesundheit der Apotheken aus?
Kobinger: Es geht uns wahrlich nicht berauschend. Viele behaupten, Apotheken seien eine Goldgrube – was ganz und gar nicht der Wirklichkeit entspricht. Leider gehen die Spannen immer weiter herunter und wir müssen bei einigen Leistungen – wie etwa dem Nachtdienst – draufzahlen, dass es nur so raschelt.
NL: Es gibt leider gleich einige kritische Perspektiven für die Apotheken in unserem Land. Von einer hört man besonders oft – dem Online-Handel mit Medikamenten.
Kobinger: Wir sind da mit einer Entwicklung konfrontiert, die uns natürlich weh tut, aber noch nicht umbringt. Aber es ist Teil eines brisanten Themas – der Bagatellisierung von Arzneimitteln. Es handelt sich dabei um hoch wirksame Substanzen, die man unbedingt richtig anwenden muss. Beratungsleistung ist enorm wichtig!
NL: Da sind wir auch gleich bei den Medikamenten im Supermarkt…
Kobinger: Wir müssen vor amerikanischen Verhältnissen warnen. Allein in Kalifornien sind jährlich 60 Lebertransplantationen bei Kindern notwendig, die zu viel von einem bekannten und sehr guten fiebersenkenden Mittel bekommen. In den USA sterben mehr Menschen an Arzneimittel-Nebenwirkungen als durch Verkehrsunfälle – das sagt wohl alles. Das sind Zustände, wie ich sie auf keinen Fall auch bei uns haben will. Es gilt, unsere hohen Standards abzusichern!
NL: Die medizinische Infrastruktur im ländlichen Raum steht vor einer Ausdünnung –auch dadurch, dass das Interesse an der Tätigkeit als Landarzt spürbar nachlässt. Wie geht es den Apotheken mit dieser Entwicklung?
Kobinger: Diesbezüglich gibt es für uns eine einfache Logik: Ohne Arzt kann auch die Apotheke nicht wirklich leben, die Bevölkerung braucht beide und beide müssen auch immer gut zusammenarbeiten.
NL: Aber es gibt auch das Spannungsfeld namens Hausapotheke…
Kobinger: Die ist auch unserer Meinung nach in gewissen Gegenden wirklich notwendig und sinnvoll. Allerdings dient sie in manchen Orten, wo zwei oder drei Ärzte tätig sind, nicht mehr als Behelf, sondern als Zubrot. Da stelle ich zwei Fragen: Erstens, warum brauchen Ärzte einen zweiten Beruf, um leben zu können? Zweitens, warum hat es die Ärztekammer nicht geschafft hat, für ihre Mitglieder vernünftige Tarife zu verhandeln? Außerdem muss festgehalten werden, dass es die ärztliche Hausapotheke auf ein Angebot von 300 bis 400 Medikamenten bringt, die durchschnittliche Apotheke hat wesentlich mehr, etwa 5000, auf Lager. Nicht nur das, sie bietet Nachtdienste an und sperrt im Urlaub auch nicht zu.
Foto: Furgler