Weihnachten: Sehnsucht nach Gemeinsamkeit

von NEUES LAND

Alle Jahre wieder führt Weihnachten Familien zusammen und sorgt so für schöne gemeinsame Stunden – aber auch Konfliktpotenzial.

Seit jeher haben Menschen Rituale und Bräuche entwickelt, die sie regelmäßig und nach strikten Regeln durchführen und auch an ihre Nachkommen weitergeben. Eine wichtige Bedeutung liegt im Erleben von Gemeinsamkeit, wie etwa Weihnachten, in und Zugehörigkeit zu einer Gruppe. „Gemeinsamkeit stiftet Sinn und Geborgenheit, Zugehörigkeit stiftet Identität. Deshalb sind Rituale, die häufig in Form von Festen stattfinden, mit positiven Gefühlen von Freude und Glück verbunden. Gerade in unserer modernen, individualisierten und selbstbestimmten Welt scheinen solche Rituale immer wichtiger zu werden“, erklärt Josef Jenewein, Professor für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Med Uni Graz.

Erinnerungen

Es gibt nur wenige Anlässe, die mit so vielen Gefühlen und Erinnerungen wie die Weihnachtszeit behaftet sind. Manche Menschen hatten allerdings nie das Glück solche Momente zu erleben. „Und manchmal stellen sich diese Gefühle nicht ein, weil wir uns in einer belasteten Situation befinden. Oft werden zwischenmenschliche Belastungen gerade zur Weihnachtszeit unterschätzt“, so Jenewein. Die erste Euphorie von Familienmitgliedern, die sich erst nach längerer Zeit wiedersehen, kann rasch verfliegen und alte, ungelöste Konflikte kommen zum Vorschein oder brechen durch. „Manchmal herrscht nur ein ,weihnachtlicher Waffenstillstand’. Das Zusammensein führt so gelegentlich zum Gegenteil eines gemütlichen Weihnachtsfestes.“

Geschenk des Lebens

Es kann aber auch sein, dass man merkt, dass man sich von der ursprünglichen Gruppe der Familie etwas entfremdet hat und sich das bekannte oder erinnerte Zusammengehörigkeitsgefühl nicht mehr einstellt, so der Experte. „Das ist völlig in Ordnung, da wir uns ja alle weiterentwickeln und manchmal eben in verschiedene Richtungen. Auch dann können wir gemeinsame Erinnerungen austauschen und Veränderungen anerkennen“, betont Jenewein, „ungelöste Konflikte und Spannungen sollten besser während des Jahres besprochen und nach Lösungen gesucht werden. So kann es gelingen, sich für den ursprünglichen Sinn des Festes, nämlich das Geschenk des Lebens und der Gemeinsamkeit, zu öffnen“.

Beitragsfoto: Jacob Lund – stock.adobe.com

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