Der Ukraine-Krieg hat die internationalen Agrarmärkte durcheinandergerüttelt. Die steirische Agrarspitze hinterfragt den Green Deal.
Der russische Angriff auf die Ukraine und zuvor schon die Corona-Pandemie zeigen schonungslos globale Abhängigkeiten auf. Während Ungarn jetzt seine Getreideexporte massiv beschränkt, wird in Deutschland schon vor einer Futter- und Düngemittelknappheit gewarnt. „Wir müssen aus diesen Verwerfungen die Lehren ziehen und dürfen uns nicht länger auf globale Lieferketten verlassen. Und am Beispiel Ungarn zeigt sich, dass nicht einmal der EU-Binnenmarkt richtig funktioniert “, mahnte Landesrat Hans Seitinger bei der Landesagrarreferentenkonferenz, einen Fokus auf die Versorgungssicherheit zu legen.
Russland und die Ukraine zählen zu den wichtigsten Getreideanbaugebieten der Welt. Jetzt ist damit zu rechnen, dass die Exporte für längere Zeit einbrechen werden. Vor diesem Hintergrund forderten die Agrarreferenten ein Überdenken der EU-Agrarpolitik, die auch das Stilllegen von Flächen vorsieht. „Es ist unverantwortlich, in Krisenzeiten landwirtschaftliche Flächen in der EU stillzulegen. Das führt zu einer noch stärkeren Abhängigkeit von Importen“, so Seitinger.
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In dieselbe Kerbe schlagen LK-Präsident Franz Titschenbacher und EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer in einer Presseaussendung. Unter den neuen weltpolitischen Gegebenheiten müssten die im Green Deal vorgesehene Halbierung der Pflanzenschutzmittel-Verwendung differenzierter beurteilt und die pauschale Verminderung der Düngemittel-Verwendung um 20 Prozent neu bewertet werden.
Schmiedtbauer ergänzt: „Durch Putins Aggression haben sich sämtliche Rahmenbedingungen der EU völlig verändert. Jetzt müssen Ernährungssicherheit und Energieunabhängigkeit das oberste Ziel sein und produktionsbehindernde Maßnahmen ausgesetzt oder angepasst werden. Außerdem müssen im Namen des Umweltschutzes stillgelegte Anbauflächen vorübergehend wieder für die Lebensmittelproduktion genutzt werden. Alleine in Österreich könnte so eine Fläche von rund 7.800 Hektar zusätzlich mobilisiert werden.“
Die im Green Deal geplanten großflächigen Bewirtschaftungseinschränkungen und Außernutzung-Stellungen des österreichischen Waldes würden den nachhaltigen, österreichischen Vorzeigeweg in der Forstwirtschaft konterkarieren. Daher lehnen Titschenbacher und Schmiedtbauer diese vorgesehenen Vorhaben strikt ab.
Weil die Abhängigkeit von russischem Gas und die explodierenden Treibstoffpreise die Energieversorgung in Österreich dramatisch gefährden, verlangt Titschenbacher den sofortigen Ausbau der Bioenergie: „Mit Holzenergie können innerhalb weniger Monate entstandene Erdgaslücken in wichtigen Teilbereichen gefüllt werden. In den österreichischen Wäldern schlummern ausreichend Nutzungsrückstände, um neben einem massiven Holzbauprogramm auch den Bedarf von Raum- und Fernwärme sowie Strom für die kommenden Jahre zu decken.“
Jungbauern am Wort
Auch die Steirischen Jungbauern meldeten sich zu Wort. Den Menschen in der Ukraine und auch im Nahen Osten und Nordafrika droht eine Hungerkrise. „Wir müssen jetzt alles tun, um den Menschen in der Ukraine zu helfen und die Versorgung mit Lebensmitteln in Österreich und Europa zu sichern“, sagte Landesobmann Ralf Wagner.
Und weiter: „Eine Flächen- und somit Ertragsreduktion, wie sie im Green Deal vorgesehen ist, wäre jetzt die falsche Antwort auf diese Krise. Vielmehr fordern wir ein vorübergehendes Aussetzen der vierprozentigen Flächenstilllegung. Zudem fordern wir einen Stopp für die Verbauung wertvoller Ackerflächen mit Photovoltaikanlagen und die konsequente Verfolgung des Zielpfades von 2,5 Hektar pro Tag.“
Beitragsfotos: agrarfoto.com, Land Steiermark, Jungbauernschaft