Das Singen schafft Zusammenhalt, fördert Selbstlosigkeit und wirkt darüber hinaus wahre Wunder – auch in der Lebenserwartung.
In unserer schnelllebigen Welt ist Zeit ein hohes und immer knapper werdendes Gut. Freundschaften pflegen wir zuweilen nur mehr auf sozialen Plattformen – die immer weniger Raum und Zeit für „echte“ soziale Kontakte zulassen. Vielleicht ist das nur einer der Gründe, warum sich immer mehr Menschen zusammenfinden, um miteinander ihre Stimmen zu erheben – für mehr Gemeinsamkeit, die Singen in der Gruppe schafft. Der Zulauf zu Chören ist so stark wie schon lange nicht, das spürt man im ganzen Land.
So zählt der Chorverband Österreich, der Dachverband der Chöre und Chorverbände, derzeit rund 82.000 Sängerinnen und Sänger und weit über 3.000 Chöre, von denen sich rund 400 und circa 10.000 Sängerinnen und Sänger in der Steiermark befinden. Hier wird – wie auch im Bundesland Tirol – am fleißigsten gesungen, nur geringfügig weniger in Salzburg (387 Chöre und rund 10.000 Sänger) und Kärnten (354 Chöre und rund 8.000 Sänger). Warum gemeinsames Singen immer mehr Menschen fasziniert? Sie wollen sich vermutlich – im wahrsten Sinn des Wortes – im Einklang befinden.
Ältestes Instrument
„Singen ist ein emotionales, verbindendes Element, das vertrauensbildend wirkt“, so Neuropsychologin Annemarie Seither-Preisler vom Zentrum für Systematische Musikwissenschaft an der Uni Graz. „Durch Singen lassen sich zum Beispiel größere Gruppen koordinieren. Evolutionsbiologen stellten das auch im Tierreich fest“, so Seither-Preisler.
Außerdem sei Singen viel älter als das Musizieren. „Das erste Musikinstrument gab es vor etwa 50.000 Jahren, das Singen ist mindestens doppelt so alt, da die körperlichen Voraussetzungen dafür schon sehr früh gegeben waren.“ Singen habe sowohl die „kulturelle als auch geistige Entwicklung des Menschen vorangebracht“. So stand etwa in traditionellen Kulturen Singen für einen gemeinschaftlichen Ausdruck, es förderte immer schon den Zusammenhalt und die Schaffung und Erhaltung der eigenen kulturellen Identität.
Höhere Lebenserwartung
Schwedische Forscher entdeckten in den 1990er-Jahren auch Verblüffendes: Sie untersuchten mehr als 12.000 Menschen aller Altersgruppen und stellten fest, dass Mitglieder von Chören und Gesangsensembles offenbar eine signifikant höhere Lebenserwartung hatten als solche, die nicht singen.
Nina Wagner
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