Hilfe am anderen Ende der Leitung

von NEUES LAND

Reden ist oft mehr als „nur“ Silber: sich die Sorgen von der Seele sprechen zu dürfen kann sprichwörtlich sogar Gold wert sein.

Guter Rat kann teuer, ein offenes Ohr unbezahlbar sein – besonders in schwierigen Lebenssituationen. Wissen Bäuerinnen und Bauern nicht mehr weiter, steht ihnen eine bemerkenswerte Einrichtung zur Verfügung: das bäuerliche Sorgentelefon. Ausgebildete Fachkräfte nehmen sich hier der Probleme der Anrufer an, hören zu, beraten und versuchen, Lösungen zu finden. Und das anonym und kostenlos.

Das Sorgentelefon gibt es seit mehr als acht Jahren und ist ein Beweis dafür, wie groß die Probleme der Bäuerinnen und Bauern hierzulande sind. Seit Bestehen haben sich ihm insgesamt 5548 Frauen und Männer anvertraut, wobei sich die Zahl der Anrufenden zwischen 732 im Jahr 2008 und 531 im Jahr 2011 bewegt.

Zwischen Jung und Alt

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Anna Kandlbauer nimmt sich der Sorgen der Anrufenden an. foto: kk

Ein Problem sticht dabei besonders hervor: Generationenkonflikte – die wiederum zu psychischer Überbelastung führen. „Oft gibt es Konflikte zwischen Schwiegermüttern und –töchtern. Ich hatte zum Beispiel einen Anruf von einem Sohn, der im Spannungsfeld zwischen seiner Frau und seiner Mutter stand und nicht mehr weiter wusste“, erzählt Anna Kandlbauer aus Feldbach, ausgebildete Lebens- und Sozialberaterin und eine von österreichweit zehn Betreuerinnen und Betreuern des Sorgentelefons. Ältere Menschen würden vermehrt um Rat suchen, weil sie sich um die Nachfolge am Betrieb sorgen. Außerdem sei auch immer wieder die körperliche Überbelastung – „manche sind am Ende ihrer Kräfte“ – ein großes Problem. Nicht selten führe aber auch die Unterbelastung zu schwierigen Situationen, erklärt Kandlbauer: „Eine Hofübergabe bedeutet auch immer eine neue Arbeitsverteilung. Zu dieser kommt es aber oft nicht“. Das heißt, dass die ältere Generation den Hof zwar auf dem Papier übergibt, die Arbeit aber selbst weitermacht – also die Jungen quasi noch nicht ans Ruder lässt.

Zu schweigsam

Wobei das Grundproblem immer darin liege, dass „zu wenig miteinander über wichtige Themen gesprochen wird“, so die Beraterin am Sorgentelefon. Und das betrifft auch noch andere Bereiche. Zum Beispiel gehe es häufig um Trennungen, auch bei älteren Leuten. Diese fragen sich oft: „Hat das Leben noch mehr zu bieten?“. Oft entstehen erhebliche Belastungen, wenn jemand in der Familie an einem Suchtproblem leidet. Sehr zum Tragen kommen auch Sorgen um pflegebedürftige Angehörige. Das Thema Urlaub und Freizeit beschäftigt die Landwirte ebenso, etwa, wie viel ihnen zusteht.

Anonymität hilft

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Leider werden wichtige Themen daheim viel zu selten offen angesprochen – was viele in Verzweiflung stürzt. Foto: fotolia.com/Gina Sanders

Bei all diesen Sorgen, die auf die Beraterinnen und Berater am anderen Ende des Telefons zukommen, gehe es „im Grunde immer darum, eine Situation richtig wahrnehmen und einschätzen zu können, dann die Dinge auch anzusprechen und zu klären. Bei einer fremden Person ist das oft einfacher, bei den meisten spürt man die Erleichterung, wenn sie sagen können, wie es ihnen geht“, erklärt Kandlbauer. „Nach dem Zuhören geht man durch gezielte Fragestellung Schritt für Schritt vor und macht sich gemeinsam auf die Suche nach der Lösung des Problems“.

 

Bäuerliches Sorgentelefon

Montag bis Freitag 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr unter: 0810/676 810

  • Ein interessantes – aber vermutlich wenig überraschendes – Detail: Frauen sind viel eher dazu bereit, über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen als Männer: rund 83 Prozent der Anrufer sind weiblich, nur 17 Prozent männlich.
  • 2015 nahmen 685 Personen dieses Service in Anspruch. 13 Prozent davon kamen aus der Steiermark. Sie liegt laut Statistik an dritter Stelle, hinter Ober- und Niederösterreich
  • Der Großteil der Anrufer (31 %) ist 50 bis 59 Jahre alt, 26 % sind zwischen 60 und 69, 20 % zählen 40 bis 49 Jahre und 12 % 30 bis 39. Nur wenige sind über 70 und unter 30 Jahre alt.

 Foto: fotolia.com/Tyler Olson

 

 

 

 

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