Im Interview: Simone Schmiedtbauer

von Karl Brodschneider

Seit 2019 ist die Hitzendorfer Bäuerin Simone Schmiedtbauer Mitglied des Europäischen Parlaments und erzählt im aktuellen Interview, was sie momentan sehr beschäftigt.

 

NEUES LAND: Am Sonntag haben die steirischen Bäuerinnen und Bauern ihre Vertretungen in der Landwirtschaftskammer und in den Bezirkskammern gewählt. Wie bewerten Sie das Abschneiden des Steirischen Bauernbundes?

Simone Schmiedtbauer: Ich freue mich, dass Präsident Franz Titschenbacher und mit ihm die Arbeit des Steirischen Bauernbundes so stark bestätigt wurden. Es waren harte, herausfordernde Zeiten und dass der Vertrauenszuspruch auf 70,25 Prozent ausgebaut werden konnte, macht uns alle stolz. Die niedrige Wahlbeteiligung macht mich, so wie viele andere, durchaus nachdenklich, das müssen wir uns aber natürlich im Detail noch anschauen – nach der Wahl ist vor der Wahl.

Die US-Wahl

NL: Jetzt zu einer anderen Wahl, nämlich jener in den USA. Wie froh ist man in Brüssel, dass Joe Biden jetzt neuer US-Präsident ist und nicht mehr Donald Trump?

Schmiedtbauer: Auch die Beziehungen zu den USA beeinflussen die europäische und somit die heimische Landwirtschaft. Derzeit kommt die Landwirtschaft in einem Industriestreit zu illegalen Subventionen in der Flugzeugbranche (Airbus/Boeing-WTO-Streitfall) unverschuldet zum Handkuss. Der ehemalige Präsident Donald Trump hat nicht nur in der Flugzeugbranche Strafzölle verhängt, sondern eben auch auf viele europäische landwirtschaftliche Produkte. Betroffen ist beispielsweise spanisches Olivenöl. Es wurden vor allem Länder abgestraft, die Airbus unterstützt haben. Das sind zum Deutschland, Frankreich, Spanien. Die USA sind unser drittgrößter Handelspartner. Mit Joe Biden als neuen US-Präsident bietet sich für Europa nicht nur die Aussicht darauf, den schwelenden Handelsstreit zu deeskalieren, sondern auch die echte Chance, die Kooperation bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, beim Kampf gegen Terrorismus und bei der gemeinsamen Eindämmung des Klimawandels zu vertiefen.

Der Brexit

NL: Der harte Brexit konnte in letzter Sekunde abgewendet werden. Ist das für Österreich und die österreichische Landwirtschaft ein Vorteil?

Schmiedtbauer: Ich bin erleichtert, dass sich die EU und Großbritannien doch noch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen verständigt haben. Das war ein kleines Weihnachtswunder. Für beide Handelspartner wird darin gegenseitiger zoll- und quotenfreier Marktzugang sichergestellt und ein Rückfall auf die WTO-Regeln abgewendet. Natürlich gelten jetzt neue Prozedere hinsichtlich Grenzabfertigung. Bis das alles reibungslos abläuft, wird es wohl einige Zeit dauern. Großbritannien ist für die österreichische Lebensmittelindustrie die siebentwichtigste Exportdestination. Wie sich unsere künftige Handelsbilanz mit Großbritannien tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Kommission hat jedenfalls einen Vorschlag für eine fünf Milliarden Euro als Reserve für die Anpassung an den Brexit vorgelegt, die den am stärksten betroffenen Regionen und Sektoren die notwendige finanzielle Unterstützung bieten soll.

Mercosur-Abkommen

NL: Warum tauchte in der Vorwoche wieder das Mercosur-Abkommen in den Schlagzeilen auf? Könnte es doch noch ein solches Abkommen über die Hintertür geben?

Schmiedtbauer: In der letzten Woche wurde der Jahresbericht zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik abgestimmt, in dem auch Verweise zum Mercosur-Handelsabkommen enthalten waren. Mein Nein zu Mercosur bleibt und so auch das Nein aus Österreich. Solange es keine Nachbesserungen im Handelsabkommen gibt, wird es auch keine Ratifizierung geben. Zügelloser Freihandel ist keine Option, wenn es um den Schutz unserer land- und forstwirtschaftlichen Familienbetriebe geht. Ich bin für nachhaltigen Handel. Damit meine ich ökonomisch, ökologisch und sozial fair. Die Landwirtschaft darf nicht zur Gewinnmaximierung der Industrie Federn lassen. Auch Umwelt- und Klimaschutzambitionen dürfen keine europäische Einbahnstraße bleiben, sondern müssen ausnahmslos ebenso von Handelspartnern eingefordert werden.

Übergangsfristen

NL: Warum war es so wichtig, eine Übergangsfrist für die GAP bis inklusive 2022 zu bekommen?
Schmiedtbauer: EU-Parlament und Mitgliedstaaten haben sich im Oktober 2020 auf ihre jeweilige Verhandlungsposition zur GAP-Reform geeinigt. Derzeit finden die finalen Abschlussverhandlungen statt. Die neue GAP bringt auch neue Spielregeln. Damit die EU-Länder ausreichend Zeit haben, zielführende und praxistaugliche Programme zu entwickeln, die von den heimischen und europäischen Landwirtinnen auch gut angenommen werden, braucht es eine Übergangsfrist. Das geht nicht von heute auf morgen. Dass wir in der Übergangsperiode bis inklusive 2022 die „alte“ GAP mit „neuem“ Geld fortsetzen können, war auch keine Selbstverständlichkeit. Andere Fraktionen hatten sich auch für den Übergang neue Spielregeln und Auflagen gewünscht.

 

Beitragsfoto: Stravros Tzovaras

Zum Thema passend

Einen Kommentar abgeben