Mutiges Meisterstück des Helden von Murau

Im April 1964 verabschiedete sich der Steiermärkische Landtag in einer Trauersitzung von Karl Brunner aus Murau, einem ihrer tüchtigsten und populärsten Abgeordneten. Brunner war nach 1945 Abgeordneter zum Landtag beziehungsweise Nationalrat sowie Landtagspräsident nach 1961. Unvergessen bleibt sein Vorgehen, wie er in den letzten Kriegstagen russische Soldaten überlistete.

von NEUES LAND

Der Niederösterreicher Karl Brunner, Jahrgang 1889, gelangte während des Ersten Weltkrieges nach Murau, wo er bald darauf als Kaufmann ein Geschäft übernahm. Sein politisches Interesse, gepaart mit Organisationstalent, fiel bald allen auf und er wurde in den Murauer Gemeinderat berufen. Als sich im ganzen Land Selbstschutzverbände bildeten, schloss er sich 1921 dem Murauer Heimatschutz an und wurde bald darauf infolge seines energischen Auftretens und seiner „markigen“ Kommandosprache dessen Gauführer.

Unter seiner Führung entwickelte sich der Heimatschutzgau Murau mit etwa 550 aktiven Mitgliedern zum stärksten der Steiermark. Am Abend des 25. Juli 1934, beim gescheiterten Putschversuch der Nationalsozialisten, versammelte Brunner in Teufenbach sein Bataillon und rückte um 22 Uhr mit einer Kompanie gegen Niederwölz vor. Dort ereignete sich beim Gasthaus Rass ein schwerer Übergriff der Heimatschützer unter der Anwesenheit Brunners, wobei ein wehrloser SA-Mann erschossen wurde.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 wurde Brunner sofort verhaftet. In verschiedenen Gefängnissen musste er furchtbare Verhöre über sich ergehen lassen. Vom 14. bis 18. September 1939 stand Karl Brunner in Leoben vor Gericht. Die Anklage lautete, er habe einen Heimatschützer persönlich beauftragt, den SA-Mann im Hof des Gasthauses zu erschießen. Obwohl einige Zeugen Brunner entlasteten, wurde er zu einer lebenslangen Kerkerstrafe verurteilt.

Im Jahr 1945 war Brunner in der Grazer Strafanstalt Karlau in Haft. Am 19. Februar lud ein englischer Bomberverband in einem verheerenden „Stahlgewitter“ Bomben auf Graz ab. Eine Bombe, die wohl den Ostbahnhof hätte treffen sollen, fiel auf die Karlau und tötete 15 Personen, allesamt Aufseher und Justizwachebeamte, aber keinen einzigen Häftling. Brunner wurde mit anderen Häftlingen sofort in die Rettungsarbeiten eingebunden und konnte mit bloßen Händen einige Beamte, darunter den verschütteten Anstaltsdirektor befreien und vor dem sicheren Tod retten. Für diese beherzte Tat wurde Brunner in einem Gnadenakt der Rest der Strafe erlassen und er konnte im April 1945 als freier Mann nach Murau zurückkehren.

Durch geheime Kontakte erfuhr er von einer gut organisierten Widerstandszelle in seinem Heimatort, die nach Ostern mit den Ennstaler Freiheitskämpfern des Gendarmeriemajors Valentin Tarra Verbindung aufgenommen hatte. Die bunt zusammengewürfelte Gruppe aus ehemaligen Christlichsozialen, Sozialdemokraten und Kommunisten ernannte Brunner zu ihrem politischen Kommissar. Als am 7. Mai 1945 die ersten britischen Soldaten, aus Italien kommend, Kärnten besetzten, konnten die Murauer noch am Abend desselben Tages mit der britischen Kommandatur in Villach telefonischen Kontakt aufnehmen. Nun begann ein spannender Wettlauf der Alliierten um die Besetzung der Steiermark.

Ein Stoßtrupp der Amerikaner gelangte am selben Tag über den Pyhrnpass in das Ennstal. Am darauffolgenden Tag, dem 8. Mai und dem offiziellen Ende des Krieges, hofften die Murauer sehnsüchtig auf das Erscheinen der englischen Soldaten, die jedoch nur bis Klagenfurt vorgerückt waren. Ihre Stadt war bereits mit rot-weiß-roten Fahnen beflaggt. Am 9. Mai war zu erfahren, dass russische T-34 Panzer bereits über den Grazer Opernring bis zum Hauptbahnhof und weiter in Richtung Lieboch gefahren waren. Aus der südlichen Steiermark war zu erfahren, dass bulgarische und jugoslawische Einheiten die Macht übernommen hatten.

Mit großer Sorge beobachtete man in Murau die Truppenbewegungen der Alliierten. Wehrmacht und SS waren bereits abgezogen. Die Befürchtung, die Russen könnten am 10. Mai das ganze Murtal besetzen, war berechtigt, weil sie auch schon über den Semmering gelangt waren und Leoben erreicht hatten. In dieser Situation entschlossen sich Brunner und seine Gefährten zu einer riskanten Aktion.

Brunner ließ sich von der NS-Ortsgruppenleitung die Liste der englischen Kriegsgefangenen geben und rief alle, die sich noch in der Gegend von Murau befanden, zusammen. Er erklärte ihnen seinen Plan, und zum Glück waren alle einverstanden. Etwa 20 Engländer, die noch ihre Uniform trugen, fuhren darauf in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai nach Teufenbach, weil ein Kradmelder berichtet hatte, dass eine Abteilung der Roten Armee dort angekommen war. Ein englischer „Offizier“ verlangte den russischen Kommandanten zu sprechen und meldete ihm, dass das ganze obere Murtal zur britischen Besatzungszone gehörte und in Murau bereits ein Stützpunkt der Royal Army war.

Die Russen ließen sich tatsächlich täuschen und verzichteten auf die Weiterfahrt nach Murau, dessen Bevölkerung dadurch viel Leid erspart blieb. Brunner wurde in den folgenden Jahren als „Held von Murau“ mit hohen Ehrungen bedacht.

Autor: Herbert Blatink

Zum Thema passend

1 kommentieren

Pistrich Anita 12. Mai 2025 - 19:19

Guten Tag.Meine Mutter,Jahrgang 1929 aus dem Bezirk Murau,leider schon verstorben,hat uns diese Geschichte sehr oft erzählt.

Antwort

Einen Kommentar abgeben