Der gute Unvollendete

Am Ostermontag starb Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren. Ein paar ungeordnete Gedanken über einen Ortspriester für die ganze Welt.

von NEUES LAND

Nachrufe beherrschen seit Ostermontag die Medien nicht nur hierzulande. Wenn ein Papst stirbt, dann ist das immer auch eine „Hochzeit“ medialer Berichterstattung und Einordnung. Und natürlich erfahren wir in jedem Text, in jedem Beitrag in „Funk und Fernsehen“, wie es so schön heißt, zumindest immer auch ebenso viel über den Berichterstatter wie über den, von dem die Rede ist. Das sollte uns nicht weiter stören, schon gar nicht bei Nachrufen, die noch dazu aus dem Augenblick heraus oder wie im konkreten Fall ohnehin schon länger vorbereitet geschrieben wurden. Nicht alles, was in dieser Woche zu hören, zu sehen oder zu lesen war, wird vor der Geschichte Bestand haben – wie die wiederholt kolportierte Meinung, die Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Bischof von Rom 2013 sei eine große Überraschung gewesen. Bereits beim Konklave 2005, aus dem Kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorgegangen ist, wissen wir aus einem anonymen, aber als sehr verlässlich geltenden „Verbotenen Tagebuch“ eines anwesenden Kardinals, dass Bergoglio im letztlich entscheidenden vierten Wahlgang faktisch der einzige verbliebene Gegenkandidat war.

Authentisch

Bergoglio als unerwarteter Außenseiter auf dem Stuhl Petri war von Beginn an Teil seiner, und das ist hier durchaus nicht abwertend gemeint, Selbstinszenierung. Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholikinnen und Katholiken weltweit zu sein, bedeutet immer, eine Rolle einnehmen zu müssen. Problematisch wird das erst dann, wenn diese Rolle mit dem inneren Wesen nicht übereinstimmt. Doch gerade Papst Franziskus war in dem, was er sagte und tat, immer authentisch. Seine ersten Worte nach seiner Wahl – „Guten Abend“, er komme vom Ende der Welt oder seine Bitte um ein Gebet für ihn vor seinem ersten päpstlichen Segen – waren ebenso ehrlich gemeint wie seine bescheidene Art zu wohnen, sein Kleinwagen oder seine individuellen „Ausflüge“ in römische Buchhandlungen und Friseurgeschäfte.

Unvollendet

In Musikerkreisen gibt es das beliebte Bonmot, dass Schuberts „Unvollendete“ eigentlich „Unbeendete“ heißen müsste, denn die Symphonie sei zwar ein Fragment, aber ein vollendetes Werk. Man kann diesen Gedanken auch trefflich auf Papst Franziskus übertragen. Der emeritierte Grazer Bischof Egon Kapellari hat einmal befragt nach den Unterschieden zwischen Benedikt XVI. und Franziskus im Blick auf die Verkünder des Glaubens seit dem Alten Testament gemeint, Ratzinger sei mehr der „Weisheitslehrer“ und Franziskus der „Prophet“ gewesen. Besser lässt es sich wohl kaum sagen.

Wenn wir den Gedanken des großen Konzilstheologen Karl Rahner akzeptieren, dass „Glaube heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aus[zu]halten“, anders formuliert, das Geheimnis Gott, das „unsterbliche Gerücht“ (Robert Spaemann), in der Welt täglich neu vor dem Vergessen zu bewahren, dann braucht es wechselseitig Theologen und Lehrer, die das Bewahrenden den prophetisch Aufbrechenden ebenso zur Seite stellen, wie deren oft auch die Konventionen sprengende Ungeduld ohne dieses Lehramt Gefahr liefe, den sicheren Boden unter den Füßen zu verlieren. „Propheten“ berechnen nicht, sie folgen ihren Überzeugungen. Und wie dieses Wort schon suggeriert, sie laufen dabei auch Gefahr, zu „überziehen“. Weder der Umgang mit dem Ratzinger-Vertrauten Georg Gänswein noch seine wiederholte kollektive Kardinalsschelte sollten unsere Erinnerung an ihn belasten.

Mission Impossible

Es soll nicht despektierlich klingen, aber „Papst“ zu sein ist letztlich eine „Mission Impossible“. Zwischen so vielen unterschiedlichen Kulturen und Interessen wie in einer Weltkirche Brücken bauen zu müssen, denn das ist ja die eigentliche Bedeutung von „Pontifex“, wird gerade in unserer spät- oder postmodernen, enorm fragmentierten Gesellschaft zunehmend unmöglich. Wir sollten den verstorbenen Papst mit menschlichen Maßstäben, nicht mit überhöhten Wunschvorstellungen in Erinnerung behalten. Er war ein Geschenk für die Kirche und für alle Menschen, die bereit waren, dieses Geschenk anzunehmen.

Von Hans Putzer

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