Mit einer Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS startete die neue Regierung mit ÖVP-Bundeskanzler Christian Stocker, SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in das Jubiläumsjahr 2025, in dem 80 Jahre Zweite Republik, 70 Jahre Staatsvertrag und 30 Jahre EU-Beitritt gefeiert werden. Die Volkspartei und die Sozialdemokraten prägten die politische, soziale und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik, eine Nation, die zum Unterschied der instabilen Parteienverhältnisse in der Ersten Republik (1918 bis 1938) ein Staat ist, der bei den Menschen unumstritten ist.
Die Bundesverfassung aus dem Jahre 1920 wurde 1945 wieder in Kraft gesetzt, der Schilling löste als Währung die Reichsmark ab. Text und Melodie der Bundeshymne, 1947 vom Nationalrat beschlossen. Und mit der gesprengten Eisenkette, die 1945 dem Bundeswappen hinzugefügt wurde, entstand ein weiteres Symbol, das die Identität der Menschen mit der Zweite Republik festigt. Der zweimalige Staatsgründer Karl Renner (1918, 1945) wurde der erste Bundespräsident und hat durch geschicktes Verhandeln eine Zweiteilung der Republik nach dem Zweiten Weltkrieg verhindert. Im Jahre 1952 spendeten die Bundesländer für den wieder errichteten Stephansdom die Pummerin als „Glocke der Nation“. In der wiedereröffneten Staatsoper wurde 1955 Ludwig van Beethovens Freiheitsoper „Fidelio“ in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Körner und Bundeskanzler Julius Raab aufgeführt. Die musikalische Leitung oblag dem weltberühmten und aus Graz stammenden Dirigenten Karl Böhm.
Österreich war 1945 ein befreites, aber noch besetztes Land, in dem sich Christlichsoziale und Sozialdemokraten, in der Ersten Republik vielfach verfeindet und 1934 in einem Bürgerkrieg verwickelt, darauf verständigten, aus diesen verhängnisvollen politischen Fehlern zu lernen. Bei den ersten freien Wahlen am 25. November 1945 erreichte die ÖVP als Nachfolgepartei der Christlichsozialen mit 85 Mandaten von damals 165 Mandaten die absolute Mehrheit im Nationalrat, 76 entfielen auf die SPÖ und 4 auf die KPÖ. Leopld Figl, eine politische Ikone in der über 100-jährigen Geschichte des Bauernbundes, wurde Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Adolf Schärf Vizekanzler. Die KPÖ wurde ebenfalls an der Regierung beteiligt, um die russische Besatzungsmacht im Osten der Republik zu beruhigen. Leopold Figls bis heute bleibender Appell hieß: „Glaubt an dieses Österreich!“
Vom Staatsvertrag zum EU-Beitritt
In der Blütezeit der Großen Koalition zwischen ÖVP und SPÖ zwischen 1945 und 1966, die sich auf eine Wählerzustimmung von fast 90 Prozent stützen konnte, ging es vor allem darum, die Versorgung mit Ernährungsgütern nach kriegsbedingten Zerstörungen landwirtschaftlicher Nutzflächen, vor allem in Niederösterreich, sicherzustellen. Die Wirtschaft anzukurbeln, die Infrastruktur aufzubauen und das Stromnetz wieder herzustellen sowie die Energieproduktion (Wasserkraftwerke in Kaprun und an der Donau) zu erhöhen, waren die großen Herausforderungen.
Dazu leisteten in den ersten Nachkriegsjahrzehnten Hilfsaktionen der Vereinten Nationen (UNO) und der vom damaligen amerikanischen Außenminister George Marshall realisierte Wiederaufbauplan für Europa einen entscheidenden Beitrag. Für die Landwirtschaft wurden Saatgut, Landtechnik und Düngermittel zur Verfügung gestellt. Schon Mitte der 1950er-Jahre hat sich in Österreich die Versorgungslage mit Ernährungsgütern normalisiert. Die funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Landwirtschaft und Gewerkschaften mit mehreren Lohn- und Preisabschlüssen sowie die Einrichtung der Paritätischen Kommission 1955 haben rasch mit geregelten Preisen für Bauern und Konsumenten gute Lebensverhältnisse geschaffen.
Nach achtjährigen Verhandlungen ist es der Regierung mit Bundeskanzler Julius Raab, SPÖ-Vizekanzler Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl und Staatssekretär Bruno Kreisky, später Kanzler der SPÖ-Alleinregierung 1970 bis 1983, gelungen, mit dem Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 die Souveränität der Zweiten Republik wieder herzustellen. In diesem Jahr wurde Österreich auch in die UNO aufgenommen. Im gleichen Jahr wurde auch das Neutralitätsgesetz beschlossen und der seither am 26. Oktober begangene Nationalfeiertag begründet.
Mit dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union im Jahr 1995 haben die Gründungsparteien der Zweiten Republik, ÖVP und SPÖ, die großen politischen Meilensteine für die Zukunft des Landes geschaffen und die Integration der Wirtschaft in den Europäischen Binnenmarkt, trotz mancher berechtigter Kritik und EU-Skepsis, ohne Alternative für die Zukunft des Landes, erfolgreich bewältigt.
Von Gerhard Poschacher