„Zehn Jahre für einen Christbaum“

von Karlheinz Lind

Christbaumbauer Gottfried Fließer im Interview über wirtschaftliche Herausforderungen, den perfekten Baum und eine lebende Krippe.

NEUES LAND: Wie kann man sich eigentlich das Leben eines Christbaumbauern vorstellen?

Gottfried Fließer: Ich bin das ganze Jahr in meinen Kulturen unterwegs, um zu mulchen, die Bäume auf Schädlingsbefall zu kontrollieren und Erziehungsmaßnahmen vorzunehmen. Wir brauchen zehn Jahre für einen fertigen Christbaum. Und dann hat man 14 Tage vor Weihnachten Zeit, um diesen zu verkaufen. Das ist wirtschaftlich eine enorme Herausforderung.

NL: Welchen Baum sucht sich ein Christbaumbauer für sich selbst aus? Muss er besonders schön sein oder wird genommen, was übrigbleibt?

Fließer: Schön ist immer relativ. Es gibt zwar Trends, aber fast jedem Konsumenten gefällt ein anderer Baum. Und so ist es auch bei mir: Meist suche ich für uns zu Hause bereits im Sommer einen Christbaum aus.

NL: Warum sind Sie Christbaumbauer geworden?

Fließer: Das hat sich betrieblich so ergeben. Unser zweites Standbein ist die Forstpflanzenproduktion, damit beschäftigen wir uns schon seit gut 50 Jahren am Hof. Dabei habe ich auch immer Christbaumpflanzen für andere Betriebe produziert. Vor 40 Jahren legte ich gemeinsam mit meinem Vater die ersten Kulturen an. Zuvor gab es ja nur Bäume aus dem Wald, die ihre Nadeln jedoch nicht so lange gehalten haben.

NL: Sind die heurigen Bäume schon alle geschnitten?

Fließer: Ja, zum überwiegenden Teil. Natürlich haben wir unsere Augen auch immer auf das Wetter gerichtet. Der vorhergesagte Schnee hat uns angetrieben, Anfang Dezember hatten wir praktisch alles am Hof. Natürlich werden je nach Bedarf auch später noch Bäume aus den Kulturen geholt. Doch die machen nicht mehr die Menge aus.

NL: Für viele Familien ist mittlerweile der Christbaumkauf direkt beim Bauern ein ganz besonderes Ereignis? Wie gestalten Sie es auf ihrem Hof?

Fließer: Bei uns ist die Vermarktung ab Hof langsam gewachsen. Ich möchte den Einkauf für Familien zu einem besonderen Erlebnis machen. Dafür sorgen eine besonders weihnachtliche Dekoration ohne kitschigen Elementen, eine lebende Krippe mit Esel und Rind sowie eine Zugfahrt durch den Märchenwald. Oft kommen bis zu zehn Familienmitglieder und suchen sich einen Baum aus.

NL: Wetterextreme wie Frost, Dürre und Hagel treffen auch die steirischen Christbaumkulturen mit voller Härte. Gibt es Gegenstrategien, um größere Schäden zu vermeiden?

Fließer: Wir haben bereits vor Jahren versucht, unsere Kulturen auf höher gelegenen Flächen anzulegen. Ziel war es, den Spätfrösten zu entfliehen. Leider hat es uns auch dort in den letzten Jahren getroffen. Enorm sind jedoch die Schäden, die durch den Hagel angerichtet wurden. Diese Extreme häufen sich und nun sind sogar Ende September schwere Unwetter keine Seltenheit mehr. Hier haben wir leider keine Gegenstrategie.

NL: Wann verlässt der letzte Christbaum am Heiligen Abend ihren Hof?

Fließer: Üblicherweise beenden wir zu Mittag den Verkauf, da ich mit meiner Familie einige ruhige Stunden verbringen möchte. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. So etwa kam nach einem Baumbrand am Heiligen Abend am Christtag eine Familie zu mir, um noch einen schönen Baum für die Feiertage zu holen.

Zur Person

Bereits seit 40 Jahren hat sich Gottfried Fließer (58) aus Pichling, in der Gemeinde St. Stefan ob Stainz, der Christbaumzucht verschrieben. Als Absolvent der HBLA Klosterneuburg hat er vor 20 Jahren den elterlichen Betrieb übernommen. Zehn Jahre lang stand Fließer den Steirischen Christbaumbauern als Obmann vor.

 

Foto: Lind

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