Essen oder doch verfüttern?

von Karl Brodschneider

Insekten werden hierzulande nicht so schnell das Schnitzel ersetzen. In Graz forscht man daher auch am Einsatz als Futtermittel.

Bis zum Jahr 2050 erwartet man einen Anstieg der Weltbevölkerung auf über zehn Milliarden Menschen und damit verbunden eine Verdoppelung des Bedarfs an tierischem Eiweiß. Weltweit beschäftigen sich viele Forscher mit dieser Problematik, denn die große Herausforderung dabei wird sein, die Nahrung nachhaltig herzustellen. Ein wichtiger Baustein könnte daher in Zukunft die Zucht von Insekten sein, um den Hunger der Welt zu stillen. Obwohl weltweit bereits etwa 2000 Insektenarten gegessen werden, ist der europäische Konsument noch wenig von den Krabbeltieren am Teller überzeugt. An der FH Joanneum in Graz läuft eines der europaweit größten Forschungsprojekte zum Thema Insekten. Ein wichtiger Teilbereich dabei ist der professionelle Einsatz als Futtermittel.

Effizienz

Simon Berner ist assoziierter Professor an der Fachhochschule und Projektleiter bei diesem spannenden Zukunftsthema. Er gibt einen Überblick: „Insekten sind generell betrachtet sehr effizient, haben einen hohen essbaren Anteil, sind gesund und daher in Summe gut als Nahrungsquelle geeignet. Auch gewährleisten sie als gute Futterverwerter hohe Zuwachsraten und brauchen so gut wie kein Wasser.“ Unter der großen Auswahl an verschiedenen Insektenarten hat man sich in Graz auf die Zucht von Mehlwürmern spezialisiert, die eigentlich keine Würmer, sondern die Larven des Mehlkäfers sind. „Als Kulturfolger ist der schwarze Mehlkäfer seit Jahrhunderten bekannt und ernährt sich hauptsächlich von stärkehaltigen Quellen. Wir haben uns auf sie spezialisiert, weil sie sehr einfach zu züchten sind und kaum Krankheiten entwickeln“, ergänzt der Spezialist.

In den ersten Versuchen sollen die Larven als Futter für Raubfische wie Forelle oder Saibling dienen. Berner dazu: „Im Fischfutter ist meist Fischmehl enthalten, das wiederum sehr fragwürdig produziert wird. Die Problematik der Überfischung ist hinreichend bekannt. Wir sind derzeit im Gespräch mit mehreren Teichwirten und Futtermittelherstellern. Damit soll schrittweise der Fischmehlanteil im Futter durch Mehlwürmer ersetzt werden. Parallel sollen die Produkteigenschaften getestet und die rechtlichen Rahmenbedingungen geprüft werden. In weiterer Folge kann man auch die Verwendung von Mehlwürmern in der Hühner- oder der Schweineproduktion andenken.“

Einfache Technik

Doch wie könnte die Produktion von Insekten in Zukunft aussehen? „Wir testen die Lebensgewohnheiten der Mehlwürmer in einem speziellen Zuchtschrank und arbeiten eng mit den ersten Pionieren der Insektenproduktion in Österreich zusammen. Ein Mehlkäferweibchen legt in seinem maximal sechsmonatigen Leben bis zu 600 Eier. Bei optimalen Klimaverhältnissen können in kurzer Zeit viele Insekten produziert werden“, erklärt Berner.

Bei der Unterkunft der kleinen Krabbeltiere stehen eine möglichst einfache Technik und die Mobilität des Stalls im Vordergrund. Berner erläutert die Ansätze in der Forschung: „Insekten stellen keine hohen Ansprüche an den Stall, weshalb er relativ günstig realisiert werden kann. Im Zuge des Projekts haben wir kürzlich einen Zuchtschrank im Eigenbau umgesetzt.“ Die Mobilität dagegen ist aus anderen Gründen hervorzuheben. „Insekten könnten in relativ kleinen Strukturen überall dort produziert werden, wo große Mengen an verwertbaren Rohstoffen anfallen. Ob am Acker oder in der Lebensmittelverarbeitung. Es sind an sich keine großen, fix verbauten Ställe notwendig“, so Berner abschließend.

 

Text von Robert Matzer, Foto von Miriam Weiss

 

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